Gesellschaft, Wirtschaft, Politik

Gesellschaft

In den Städten des Römischen Reiches leben freie Einwohner neben Sklaven und Freigelassenen, aber auch römische Bürger. Besonders im Osten gibt es viele Städte. Im Westen treffen die Römer auf die Städtegründungen der Phönizier und Griechen sowie auf die städteähnlichen oppida der Kelten („Gallier“). Dazu haben die Kaiser in allen Regionen Kolonien angelegt, sowohl in den städtearmen Gebieten Spaniens, Nordafrikas und im Donauraum, aber auch in den verstädterten Gebieten Griechenlands (z. B. Philippi).

Dazu kommen die großen Militärlager in den Grenzregionen, die den Bau großer Städte zu deren Versorgung mit sich gebracht haben, in Germanien etwa Regensburg, Mainz, Trier und Köln. Die Römer überlassen den Städten weitgehend ihre Selbstverwaltung, scheuen sich aber auch vor ordnenden Eingriffen nicht zurück, wenn es erforderlich ist. Viele Städte treten in einen Wettbewerb bei der Erstellung imposanter öffentlicher Gebäude im römischen oder griechischen Stil, die oft die eigenen finanziellen Möglichkeiten überfordern und zu finanziellen Krisen führen, wenn etwa die Steuerlasten nicht mehr aufgebracht werden können. Mit den Gebäuden zeigt man die Zugehörigkeit zum Imperium, besonders gerne werden überall Tempel für Augustus und die Göttin Roma errichtet.

Die Städte tragen untereinander fast einen Bauwettbewerb aus. So entstehen überall freie Plätze, Tempel, Wasserleitungen, Thermen, Theater, Sportstätten nach römischem Vorbild, deren Überreste heute noch in Deutschland (z.B. Basilika und Porta Nigra in Trier), Frankreich (z.B. Pont du Gard), Kroatien (Amphitheater und Augustustempel in Pula) und Nordafrika von jener kulturellen Einheit zeugen. Daneben entstehen viele Triumphbögen zu Ehren bestimmter Kaiser.

Die Städte sind Zentren von Handel und Verkehr; sie profitieren von der wirtschaftlichen Blüte.  So kommt Jesus in eine Zeit wirtschaftlichen Aufschwungs und zunehmenden Wohlstands.

Der einheitliche Baustil ist Ausdruck eines gemeinsamen Lebensgefühls, das sich mehr und mehr angleicht. Die christliche Mission wird von diesem Kulturausgleich profitieren, Denkgewohnheiten und Sehnsüchte der Menschen gleichen sich an. Im Westen spricht man von einer Romanisierung der Kultur („durch Rom vermittelter Hellenismus“), im Osten breitet sich der Hellenismus weiter aus, wobei zumindest in den ersten beiden Jahrhunderten eine Tendenz zur Mischkultur vorherrscht. Zum Ausdruck kommt dies neben der Architektur an den vorherrschenden Verkehrssprachen Latein und Griechisch (Privatbriefe aus und nach Rom sind in Griechisch verfasst, vgl. Paulus-Brief an die Römer). Die Bevölkerung mischt sich zunehmend, man kennt kaum rassische, nationale und religiöse Vorbehalte.

Wirtschaft

Die Wirtschaft des Imperiums ist weitgehend von der Landwirtschaft bestimmt. Herrschen vor Augustus große Güter vor, die mit Sklaven betrieben werden, so geht die Landwirtschaft immer mehr zum Pachtsystem über. Kleine Pächter bearbeiten selbständig den Grundbesitz und leisten Abgaben. Während Sklaven kontrolliert und im Krankheitsfall versorgt werden müssen, arbeiten Pächter motiviert und eigenverantwortlich.

In den Städten finden sich viele Gewerbebetriebe (Textilien, Keramik), die teilweise auch in weit entfernte Gebiete transportiert werden. Die Begegnung der Menschen wird durch Handel und Wandel begünstigt. Zwischen Rom und seinen Provinzen gibt es einen intensiven Austausch von Handelsgütern. So wird etwa Getreide aus Ägypten importiert und in Italien kaum mehr angebaut. Dafür stellt man dort Wein und Öl her und exportiert diese Güter bis nach Gallien oder den Nahen Osten.

Voraussetzung für den Handel ist ein gut ausgebautes Verkehrsnetz, wozu bei den genannten Handelsgütern vor allem die Schifffahrtswege zählen. Da die Schiffe damals nur wenige Tonnen laden können, sind unzählige Flotten unterwegs. Somit kann man fast von jedem Hafen zu einem anderen gelangen. Das erklärt uns, warum der römische Centurio, der Paulus und andere Gefangene nach Rom bringen soll, im Hafen nach einer geeigneten Überfahrt suchen kann. Angesichts der zahllosen Schiffe kann die Planung entfallen, und das Einchecken auf einem Handelsschiff ist bereits damals billiger als eine exklusive Überfahrt mit einem römischen Kriegsschiff. So kommt Jesus in eine Zeit gut ausgebauter Verkehrsnetze.

Durch den Handel wachsen die Teile des Reiches allmählich enger zusammen. Wirtschaftliche Aufbrüche ziehen Menschen aus fernen Gebieten an, so lassen sich Menschen aus der heutigen Türkei inFrankreich nieder. Sie bringen neben ihren beruflichen Fähigkeiten auch ihre Sprache und Religion mit. Darüber hinaus gibt es unzählige, die z.B. als Transportarbeiter oder Kaufleute in den unterschiedlichen Regionen auftauchen, besonders aber in den Handelsmetropolen und Häfen. Kulturtechniken werden auf diese Weise ausgetauscht und die Globalisierung wird verstärkt.

Vieles wird bald die Ausbreitung des Evangeliums begünstigen. Ganz unabhängig von der Vollmacht der Predigt und von der Kraft des Wortes Gottes kann man nur zu dem Schluss kommen, dass es für die Ausbreitung des Christentums eine günstige Zeit gewesen ist (siehe dazu Abschnitt 3.4) Jesus kommt in einer Zeit inneren Friedens und Aufbruchs.

 Politik

Nach einem grausamen Bürgerkrieg ist das Imperium Romanum zur Ruhe gekommen. Octavian hat alle Gegner besiegt, mögliche Gegenkandidaten leben nicht mehr. Offiziell im Auftrag des Senats übernimmt Octavian weiter als „Erster Bürger“ (lateinisch Princeps) die Verantwortung über den Staat und sein Weltreich. Als Princeps zeichnet ihn eine enorme Machtfülle aus, insbesondere beherrscht er unter dem militärischen Titel Imperator über das Römische Heer. Der Senat verleiht ihm den Titel „Augustus“ (der Erhabene) und hebt ihn damit in eine sakrale Sphäre. Bereits 42 v. Chr. hat er seinen Adoptivvater Caesar zu den Göttern erheben lassen und nennt sich „Sohn des Vergöttlichten“. Später übernimmt er das Amt des obersten Priesters (pontifex maximus).

Die Machtfülle ist auf die außerordentliche Person des Augustus und seiner Nachfolger abgestimmt, die Übergabe auf Nachfolger wird noch lange von Gewalt begleitet sein. Schon Augustus beteiligt geschickt die alten Eliten an seiner Herrschaft. Friedliche Provinzen wie Asia, Africa, Sicilia oder Bithynia werden durch den Senat, unruhige Provinzen wie Gallia, Syria oder Aegyptus, in denen große Truppenkontingente stationiert sind, werden durch den Kaiser und seine Beauftragten verwaltet. Außerdem werden kleinere Verwaltungseinheiten wie z.B. Judaea durch Prokuratoren besetzt, die direkt dem Kaiser unterstehen. Zum innersten Zirkel der Macht gehören Ritter und Freigelassene

Alle Provinzen müssen (mäßige) Steuern zahlen. Den Einzug der Steuern haben die Römer privatisiert, im Neuen Testament arbeiten die berüchtigten und gehassten „Zöllner“ für solche Steuerpächter. Anders als in modernen Kolonialreichen bleibt die römische Administration klein, vorhandene politische und soziale Einrichtungen in den Städten vor Ort werden daher erhalten und für die Herrschaft dienstbar gemacht. Auf diese Weise besteht die Vielfalt weiter, die Menschen erleben kaum kulturelle oder soziale Überfremdung. Anders als moderne Besatzer geben sich die Römer weitgehend mit der politischen Unterwerfung zufrieden.

Die Selbstverwaltung der Städte unterhält auch die Schulen. So kommen die Römer mit einem Minimum an öffentlicher Verwaltung aus, was einerseits Geld spart, andererseits für die Menschen vor Ort aber keine zu umfangreichen Veränderungen bringt, so dass die Römische Herrschaft meistens akzeptiert wird. Jesus kommt so in einer Zeit äußeren Friedens.

Im Rahmen einer Neu- und Umstrukturierung von Staat und Verwaltung, veranlasst vom Kaiser, wird auch eine Steuerreform durchgeführt („Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alles Volk geschätzt würde“ Luk. 2,1). Aufgrund des enormen Reichtums des Kaisers zahlt er den Sold der Soldaten aus seinem Privatvermögen. Das entlastet nicht nur die Staatskasse, sondern bindet die Soldaten in besonderer Weise an die Person des Kaisers.

Geografisch umfasst das Weltreich den Mittelmeerraum und das heutige Frankreich und England. Zeitweise beherrschen die Kaiser auch das Zweistromland im heutigen Irak und Armenien. Um diese Gebiete im Osten kämpfen Römer mit den Parthern, den gefährlichsten Rivalen im Osten. Ein anderer Gefahrenherd bindet römische Truppen lange im Norden, wo germanische Stämme im 2. Jh. jahrzehntelang gegen die Grenzen zwischen Rhein und Donau drängen.

Diese Grenzen dürfen wir uns nicht so starr wie heute vorstellen. Immer wieder dringen römische Truppen auch in unbesetzte Gebiete vor und demonstrieren ihre Macht. Offenbar gibt es sogar große landwirtschaftliche Güter jenseits der Grenzgebiete.

Mitte des 3. Jh. gehen im Norden große Gebiete verloren. Mit dem Aufkommen des neupersischen Reich der Sassaniden nehmen militärische Herausforderungen noch mehr zu. Alle Kaiser der Spätantike kämpfen mit allen Mitteln gegen den Untergang des Imperiums. Gleichwohl bleiben die Herausforderungen die Gleichen: Fremde Völker bedrohen die Grenzen, die Armee bleibt im Dauereinsatz und verschlingt unvorstellbare Summen. Daher verlagert sich die Wirtschaft immer mehr auf den militärischen Sektor, zugleich nimmt die Bedeutung des Militärs auch in Staat und Gesellschaft zu. Immer wieder rufen Truppen ihre Befehlshaber zu Kaisern auf („Soldatenkaiser“). Die Armee findet in der eigenen Bevölkerung kaum noch Freiwillige. So werden Menschen aus den Grenzregionen angeworben, oft genug entstammen sie den Völkern, gegen die die Armee kämpft.

Diese Fremden machen Karriere in der Armee, werden Kommandeure und hohe Beamte. Da die Heere ihre Kommandeure immer wieder zu Kaisern machen, scheint das Reich zum Spielball von Menschen zu werden, die nicht einmal die Sprache der Römer sprechen. Die Grenztruppen zu Germanien erheben nach germanischem Brauch einen General zum Kaiser, indem sie ihn auf den Schild heben. Nur mit äußerster Kraftanstrengung werden die Angriffe im Norden und Osten abgewehrt. Immer wieder kommt es dennoch zu Plünderungen und Zerstörungen, die die wirtschaftlichen Kräfte herausfordern. Oft genug zahlt das Imperium freiwillig für den Frieden der Gegner. In den ersten Jahrhunderten ist die christliche Kirche für Griechen und Römer fremd, sie scheint eine eigene Kultur und eigene Gesellschaftsordnung zu haben. Mit einem Mal verkörpert die Kirche etwas Vertrautes, sie erscheint als römische Institution nun für alle attraktiv, für die die neuen Machthaber fremd werden.

Der Finanzbedarf des Staates steigt daher immer weiter an, zugleich nehmen Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Menschen immer weiter ab. Immer mehr begüterte Menschen wehren sich dagegen, Dekurionen zu werden, weil die auferlegten Steuerlasten für den traditionellen Mittelstand die Einkünfte weit übersteigen. Ähnlich ist es bei den Landwirten, die die geforderten Steuerlasten nicht aufbringen können. Nicht wenige Landbesitzer geben daher lieber ihren Besitz auf. Auch diese Perspektive ist bei vielen spätantiken Eremiten wie Antonius zu berücksichtigen, wenn er sein gesellschaftliches Leben aufgibt und in die Einsamkeit der Wüste zieht. Zugleich schränkt der Staat die Freiheit der einzelnen immer weiter ein: Söhne müssen den Beruf des Vaters übernehmen, Soldaten, Landwirte, Handwerker werden an ihren Beruf gebunden.

In dieser Zeit der Verunsicherung suchen viele Menschen Zuflucht in Religion oder in einer Philosophie, die wie der Neuplatonismus deutliche religiöse Wurzeln und Verästelungen aufzeigt. Auch die Zahl der Christen steigt überall im Reich an. Der mangelnden Verehrung der Götter gibt man schließlich die Schuld, dass die Grenzen bedroht sind. Kaiser Decius fordert 249 alle Reichsbewohner auf, die alten Götter zu verehren. Dies soll durch amtliche Bescheinigungen kontrolliert werden. Für viele liegt es nahe, den Erhalt des Reiches durch die Rückkehr zur Tradition der alten Religionen zu suchen. Zugleich beginnen die reichsweiten Maßnahmen gegen solche Religionen, die mit den ehrwürdigen Traditionen unvereinbar erscheinen, namentlich die Christen geraten in den Blick der Imperatoren.

Begleitet werden diese Maßnahmen von unterschiedlichen Reformen, mit denen Kaiser wie Diokletian (284-305) den Niedergang aufhalten wollen. Die Herrschaft wird unter zwei Oberkaiser und zwei Unterkaiser aufgeteilt. Dazu propagiert man ein religionspolitisches Programm, das die Kaiser als Söhne der Götter qualifiziert und deren Verehrung durch alle Reichsbewohner erzwingen will. Das macht den Konflikt zwischen Römern und Christen unüberbrückbar macht. Dazu wird eine Steuerreform durchgeführt, durch die alles Land und die Bewohner in Listen erfasst und besteuert werden. Neben den Abgaben müssen die Bewohner auch Dienstleistungen erbringen (Straßenbau, Transport von Truppen).

Handwerker und Bauern, Kaufleute und Großgrundbesitzer, aber auch Soldaten werden mit ihren Nachkommen auf ihren Beruf verpflichtet. Immer mehr zieht der Staat Aufgaben an sich, die Verwaltungen in den Provinzen werden größer und größer, weil die neuen Aufgaben mit den traditionell kleinen Verwaltungsapparaten nicht mehr zu bewältigen sind. Um die Maßnahmen einheitlich durchzuführen, werden die Provinzen neu eingeteilt und verkleinert, ihre Zahl erhöht sich auf 100. Immer mehr werden die Städte mit ihren (ehrenamtlichen) Behörden zu Ausführungsorganen der Reichsregierung. Der Staat nimmt gleichsam totalitäre Züge an.

Durch das Vordringen der Hunnen machen sich Germanen wie Slawen auf den Weg nach Westen und Süden. Germanische Stämme verwüsten wiederholt ganze Landstriche, römische Truppen werden zusammengezogen. Einzelne Teile des Römischen Reiches wie Britannien müssen daher letztlich aufgegeben werden. Das Römische Reich zerfällt, 395 wird es aufgeteilt in das östliche Byzantinische Reich und das Weströmische Reich, welches jedoch bereits Ende des 5. Jh. endgültig zusammenbricht. Das östliche Reich vermag sich mit seiner Hauptstadt Konstantinopel noch bis 1453 zu halten, dann erobern es die Türken.

Ende des 5. Jh. endet das römische Imperium im Westen, 410 und 455 wird Rom erobert und geplündert, noch einmal gelingt es für ein paar Jahrzehnte, den Anschein einer Konsolidierung zu zeigen. 476 wird der letzte weströmische Kaiser abgesetzt, 568 dringen die Langobarden in Italien ein, zweihundert Jahre später übernehmen die Franken die Führung, der Westen des Imperiums findet allmählich zu neuen Strukturen. Geschichtsforscher sprechen vom (frühen) Mittelalter (500-1000), während die Antike im Osten gewissermaßen weitergeht