Imperialismus

Zwischen 1880 und 1914 herrscht die Zeit des Imperialismus: Die europäischen Nationen teilen Afrika und große Teile Asiens unter sich auf. Die Entdeckung des Chinin ermöglicht die Vorbeugung gegen die Malaria, so dass nun eine Eroberung des afrikanischen Kontinents ermöglicht wird. Gegenüber der modernen Militärtechnik sind die Afrikaner hilflos. Die Gebiete gelten als Kolonien, in denen sich Menschen aus den „Mutterländern“ niederlassen, aber auch als Absatz- und Rohstoffgebiete. Manche Gebiete haben auch vorwiegend strategische Bedeutung als Flottenstützpunkt. Unternehmer investieren in den Kolonien in Eisenbahnen, Bergwerke oder Plantagen. So wird die ganze Welt allmählich europäisiert, es entsteht die moderne Weltwirtschaft.

Schriftsteller und Journalisten propagieren darüber hinaus eine besondere Stellung in der Geschichte: Europäer und Nordamerikaner erscheinen ihnen als Gottes auserwähltes Volk, das neue Israel. Immer neue Metaphern werden gebraucht, um die je einzigartige Stellung zu beschreiben (vgl. z.B. das Gedicht Kiplings „Des weißen Mannes Bürde“). Cecil Rhodes (1853-1902) Premierminister der Kapkolonie von 1890-1896 setzt sich nachdrücklich für die Ausbreitung Großbritanniens ein.

Ich behaupte, dass wir die erste Rasse in der Welt sind und dass es für die Menschheit um so besser ist, je größere Teile der Welt wir bewohnen. Ich behaupte, dass jedes Stück Land, das unserem Gebiet hinzugefügt wird, die Geburt von mehr Angehörigen der englischen Rasse bedeutet, die sonst nicht ins Dasein gerufen worden wären. Darüber hinaus bedeutet es einfach das Ende aller Kriege, wenn der größere Teil der Welt in unserer Herrschaft aufgeht. […] Da [Gott] sich die Englisch sprechende Rasse offensichtlich zu seinem auserwählten Werkzeug geformt hat, durch welches er einen auf Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden gegründeten Zustand der Gesellschaft hervorbringen will, muss es auch seinem, Wunsch entsprechen, dass ich alles in meiner Macht stehende tue, um jener Rasse so viel Spielraum und Macht wie möglich zu verschaffen.
Last Will and Testament of C. Rhodes. London 1902 zit. nach KThGQ VI, 162 f.

Leicht lassen sich ähnliche Äußerungen aus anderen Staaten zusammenstellen. In Deutschland erwächst der Kolonialismus meist privaten Initiativen, darunter dürfte man auch Friedrich Fabri (1824-91), Direktor der Rheinischen Mission von 1857-1884, einordnen dürfen, der sich vehement für deutsche Kolonien eingesetzt hat. Für Deutschland könne Afrika ein „neues Indien“ werden, wenn man die Bevölkerung entsprechend erzieht.

Kolonien in Afrika (https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AKolonien-Afrikas.svg)

Nahezu alle Staaten Europas (und die USA) dehnen sich auf Kosten anderer Völker aus: England, Frankreich, Belgien und die Niederlande nach Übersee, Russland nach Asien (Sibirien, Afghanistan), die USA über den amerikanischen Kontinent und zu den Philippinen. Allerdings bringt das Ende des 19. Jh. eine Wende: In einem Krieg zwischen Russland und Japan siegen erstmals Asiaten über Europäer.

Nachdem andere Nationen längst einen starken Nationalstaat aufgebaut haben, folgt Deutschland erst jetzt, nur Italien gelingt es noch später, seine nationale Identität in einen Staat zu fassen. Unter Kanzler Bismarcks Führung ist die deutsche Außenpolitik zunächst sehr zurückhaltend im internationalen Auftreten. Bismarck weiß, dass viele Staaten Furcht vor der neuen Mitte Europas haben. Er sieht auch die Kosten und meint daher 1881: „Solange das Reich finanziell nicht gefestigt ist, dürfen wir an so teure Unternehmungen nicht denken.“

Doch seit 1882 gibt es in Deutschland eine immer stärkere Bewegung, die auch Deutschland als Kolonialmacht sehen will. So wird ein „Deutscher Kolonialverein“ gegründet. Besonders große Handelsunternehmungen propagieren die Notwendigkeit von Kolonien. Nur widerwillig lenkt Bismarck ein und spricht sich für die Errichtung von Kolonien aus. So wird 1884 Deutsch-Südwestafrika übernommen sowie Togo und Kamerun, ein Jahr später Deutsch-Ostafrika. 1886 meint Bismarck: „Die öffentliche Meinung legt gegenwärtig in Deutschland ein so starkes Gewicht auf die Kolonialpolitik, dass die Stellung der Regierung im Innern von dem Gelingen derselben wesentlich abhängt.“

Im Klima des Nationalismus gibt es aber auch andere Stimmen. Im Grunde begrüßen alle Missionsorganisationen die deutsche Kolonialpolitik. Allerdings gibt die Konferenz der deutschen Missionen 1885 eine Resolution heraus, in der sie an die gute Zusammenarbeit der deutschen Missionare mit den englischen, niederländischen und dänischen Kolonialverwaltungen erinnern. Nun erwartet man gleiches Entgegenkommend er deutschen Kolonialverwaltungen für die Missionare aus anderen Ländern.

Dennoch bleibt der Kanzler skeptisch. Als der Afrikaforscher Wolf ihm eine Karte von Afrika vorlegt, sagt Bismarck zu ihm 1888: Ihre Karte von Afrika ist ja sehr schön, aber meine Karte von Afrika liegt in Europa. Hier liegt Russland, und hier liegt Frankreich, und wir sind in der Mitte; das ist meine Karte von Afrika.“ Bismarck sieht deutlich die Gefahren der deutschen Situation. In der Mitte Europas muss die deutsche Politik darauf zielen, die deutsche Lage in Europa abzusichern und den anderen Großmächten keinen Grund zu geben, sich von Deutschland bedroht zu fühlen. Daher schließt Bismarck mit allen Mächten Bündnisse ab.

Nachdem Bismarck seinen Abschied nehmen muss, geht die deutsche Politik immer mehr auf Konfrontationskurs mit den Rivalen. Äußerlich sichtbar wird das besonders an der Aufrüstung der deutschen Flotte seit 1898. Das wird namentlich von Großbritannien als eine massive Aufrüstung mit großer Sorge betrachtet. Die britische Militärdoktrin strebt an, die eigene Flotte so mächtig zu machen wie die beiden folgenden Flotten zusammen. Zu Beginn des 20. Jh. wird so ein großes Wettrüsten angestoßen, das riesige Summen verschlingt. Insofern Großbritannien ein Weltreich besitzt, ist die Flotte für das Land unverzichtbar. Insofern Deutschland nur wenige Kolonien hat, die insgesamt mehr kosten als sie einbringen, wird auch die deutsche Flotte von den Briten eher als Prestigeobjekt, aber auch als mögliche Bedrohung gesehen. In Deutschland selbst spielt der Flottenbau eine Leitrolle für die industrielle Entwicklung: Beschäftigungspolitik und Forschung sind davon abhängig. Von einer Vollbeschäftigung erhoffen sich die Unternehmer auch, dass die Arbeiterschaft sich aus der SPD-Anhängerschaft lösen könnte. Dahinter steht die Erwartung, dass ein gewisser wirtschaftlicher Wohlstand die revolutionären Gedanken linker Prägung verdrängt.

Aufstand

Die Unterdrückung der indigenen Bevölkerung ist grausam, die Aufstände werden brutal niedergeschlagen. Die eigene Verantwortlichkeit wird meist nicht gesehen. Wie selbstverständlich bitten Kolonialmächte die Missionsgesellschaften um Hilfe bei Befriedungsmaßnahmen. Die Basler Mission stellt etwa „Christenkompanien“ aus den Gemeinden der Basler Mission, um die Briten gegen Aufständische zu unterstützen.

Da sich Großbritannien von Deutschland bedroht sieht, schließt es mit seinem größten Konkurrenten in der Kolonialpolitik, Frankreich, 1904 einen Vertrag. In dessen Folge überlassen die Briten den Franzosen Marokko. Bis dahin konkurrierten England, Frankreich und Deutschland bei der Industrialisierung des Landes. Als es zu Problemen kommt, fordert Deutschland eine Konferenz. In dieser Konferenz wird Deutschland erstmals nur von Österreich-Ungarn unterstützt. Bald stellt sich heraus, dass Deutschland weltweit isoliert ist.1914 bricht dann der Weltkrieg aus, der von allen erwartet, von manchen sogar ersehnt wird. In ganz Europa eilen begeisterte Männer zu den Fahnen, Frauen und Kinder begleiten die Soldaten jubelnd an die Bahnhöfe, von wo sie an die Fronten fahren. Mitten im Kriegsgeschehen glaubt man an Gottes Offenbarung und Hilfe, ist Gott doch „der große Alliierte da oben“, wie etwa Kaiser Wilhelm II. mehrfach äußert.

Nur wenige Menschen wagen hier einen anderen Weg, dazu gehört etwa der berühmte Tropenarzt Albert Schweiter!