Seit 1618 tobt ein bis dahin unvorstellbar langer Krieg in Mitteleuropa, vordergründig kämpfen Katholiken gegen Evangelische, aber im Hintergrund geht es um die Machtverteilung: das evangelische Schweden kämpft an der Seite des katholischen Frankreichs gegen den katholischen Kaiser und seine Verbündeten. Als Spener geboren wird, kommt es zu Friedensbemühungen, aber der Krieg geht noch 13 Jahre weiter. Am Ende siegt Machtpolitik, religiöse Fragen spielen im Grunde keine Rolle mehr.
Nach dem 30jährigen Krieg treten religiöse Bindungen in der Politik weiter zurück, in den Staaten regieren die Staatsraison und die Vernunft: Ludwig XIV. bringt das Leitbild des Absolutismus auf den Punkt: „Der Staat bin ich!“ Der englische Philosoph Thomas Hobbes lehrt: Um den Krieg aller gegen alle zu beseitigen, scheint die Unterordnung aller unter den Monarchen Sicherheit für alle zu garantieren.
Durch Dauer und Intensität des Krieges hat sich in Mitteleuropa bei vielen eine geradezu apokalyptische Stimmung verbreitet – alle rechnen mit dem Ende der Welt. Viele andere wenden sich auch von theologischen Fragen ab, denn sie haben seit Jahrzehnten nur Krieg und Leid heraufbeschworen. Religion soll künftig Privatsache sein. Und diese Privatreligion wird namentlich durch Erbauungsschriftsteller bedient und gepflegt. In Deutschland sind die Schriften von Johann Arndt wegweisend.
Vielfach ringen Pfarrer auf den Kanzeln noch um Einfluss, setzen sich mit den Lehren anderer Konfessionen auseinander, sie verlieren unter der Hand aber immer mehr an Einfluss über ihre Predigthörer. Namentlich die bürgerlichen gelehrten Eliten (Professoren der Universitäten, Minister und leitende Staatsbeamte, Philosophen und Juristen) wenden sich in ihren Gedankengängen von Fragen nach Gott ab und der Erklärung der Welt zu; viele sehen in Gott so etwas wie einen Uhrmacher, der in die Arbeit der Uhr nach ihrer In-Gang-Setzung nicht mehr eingreift.