Beurteilung

Wie stehen am Ende des Kirchenjahres. Da werden die Wochensprüche mahnender und dunkler, wie die Jahreszeit. Werden wir so auf den Advent mit seinen Lichtern vorbereitet? Lassen wir uns erst einmal darauf ein.

Von Kindheit an werden wir beurteilt: Kinderärzte beurteilen, ob wir uns normal entwickeln. In der Schule bekommen wir Noten, in Ausbildung und Studium geht das munter weiter. Und auch nach der Abschlussprüfung wird weiter beurteilt, von der Personalabteilung und von unseren Kunden oder Klienten. Manchmal urteilen auch Mitmenschen über uns, wie sie uns finden. Werden wir gelobt? Werden wir getadelt? 

Wir alle müssen einmal vor dem Richterstuhl Christi erscheinen.

2. Korinther 5,10

Und dann stehen wir schließlich noch vor dem Richterstuhl Christi? So sagt es unser Wochenspruch. Das Wort Richterstuhl weckt mulmige Gefühle. Wir denken vielleicht an einen Film mit einer Gerichtsverhandlung und das Urteil, das am Ende gefällt wird. Fällt Christus am Ende das Gesamturteil über uns? Und wie wird es ausfallen? 

Solche Verse machen Angst oder? Was könnte da alles auf den Tisch kommen? 

Eine notwendige Korrektur

Aber wir glauben doch an einen gnädigen Gott! Jesus hat uns Gott als unseren fürsorglichen Vater im Himmel offenbart, der uns Tür und Tor zum Himmel öffnet. Um was geht es Paulus?

Im Römische Weltreich stand in jeder Stadt ein Richterstuhl, auf dem durch Statthalter Recht gesprochen wurde. In der Passionsgeschichte steht Jesus vor dem Richterstuhl des Pilatus. Hier werden Anklagen verhandelt, hier können Bürger Beschwerden vortragen. Ist dieser Richterstuhl gemeint? 

Das griechische Wort für „Richterstuhl“ (bäma) wird damals auch für den Preisrichter bei Sportwettkämpfen gebraucht. Vor ihn kommen am Ende der Wettkämpfe die Sportler und erhalten ihren Siegeskranz. An dieses Bild knüpft Paulus hier wohl an. 

Immer wieder gebraucht der Apostel Bilder von sportlichen Wettkämpfen, er vergleicht sich mit einem Boxer und sagt, er schlage nicht in die Luft, sondern wolle Treffer landen. Er zeigt den Korinthern die Läufer in der Rennbahn, die um den Siegespreis laufen und Einsatz bringen müssen.

Es geht beim Richterstuhl Christi nicht um ein Urteil über unsere Schuld und unser Versagen. Wir werden vor Gott und von Gott aus Gnade gerecht gesprochen. Diese Gnade ist durch Jesus Christus für alle da, die ihr Vertrauen auf ihn setzen, die glauben, die nachfolgen. 

Verantwortlich leben

Wir werden durch seine Barmherzigkeit gerettet. Wir müssen selber durch eigene Anstrengungen nichts zu unserer Stellung vor Gott hinzufügen. Das Urteil über unsere Schuld ist am Kreuz Christi gesprochen. Gott hat sich in Christus über uns erbarmt und einen Haken unter unsere Schuld gemacht. Der Schuldbrief ist zerrissen. Da kommt nichts mehr nach.

Aber unser Einsatz für Gott und unsere Mitmenschen hat dennoch Bedeutung. Es geht um die bleibende Frucht unseres Lebens! Haben wir auf Kosten anderer gelebt und wollten immer selbst im Mittelpunkt stehen? 

Haben wir die anderen im Blick behalten, ihre existentiellen Notlagen, ihren Hunger oder ihren Durst, ihre Einsamkeit (Mt 25,31ff.)? Heute wäre zu ergänzen: Haben wir unseren Beitrag für den Klimaschutz geleistet? Wir Bewohner der nördlichen Hemisphäre verbrauchen ungeheuer viele Ressourcen auf Kosten der nächsten Generationen und auf Kosten der Menschen im globalen Süden. 

Es geht bei der Rede vom Richterstuhl Christi also um eine Würdigung. Der Einsatz für andere und für Gott kommt zur Sprache. Die bleibende Frucht unseres Lebens wird deutlich, der Segen. Wir empfangen Lob und Anerkennung. Das Wort von Paulus will uns ermutigen, das Ende unseres Lebens in den Blick zu nehmen, die bleibende Frucht zu mehren. Was werden künftige Generationen einmal über uns sagen? Was wird der auferstandene Christus uns sagen?

Wir können als Kirchengemeinde Cappel für den Weltfrieden und das Weltklima wenig tun. Wir können am Volkstrauertag an die Opfer von Krieg und Diktatur gedenken. Das ist wirklich wichtig. Aber dabei soll es doch nicht bleiben. Wir können unseren kleinen Beitrag leisten – für Verständigung und Miteinander, gegen Krieg und Unterdrückung, gegen Verfolgung von Christen und anderen Minderheiten, für einen sparsamen Umgang mit Ressourcen, für den Rückgang von CO-2-Ausstoß. Dazu helfe uns unser Schöpfer und Erlöser, dazu ermutige er uns immer neu durch seinen Heiligen Geist. Amen.