Endlich ist es so weit – Jesus kommt nach Jerusalem. Er hat Heilungswunder getan, ja er soll einen Toten auferweckt haben. Da gerät die Stadt aus dem Häuschen und strömt ihm entgegen. Jubel wird laut, Palmzweige werden gestreut. Der kommt, kommt im Namen des Herrn. Endlich ist es so weit.
Sie schreien Hosianna, voll begeistert sind sie. Der neue König von Israel zieht ein. Bald werden sie genauso laut „kreuzige“ rufen. Oder sind dann andere da, die die Hosianna-Rufer übertönen? Viele Menschen kommen in jenen Tagen in Jerusalem zusammen.
Seine Jünger verstehen nicht, dass sich da alte Prophezeiungen erfüllen. Das Bild des Friedenskönigs, wie ihn u. a. Sacharja verkündet. Seine Jünger verstehen die Szene nicht, kennen sie so wenig ihre Bibel? Erst nach der Auferstehung erkennen sie, dass Sacharja offenbar diesen Szene verkündet hatte. Jesus sagt kein Wort.
Die Pharisäer sagen, dass alle Welt ihm nachläuft. Sie sehen, dass er im Mittelpunkt steht, dass das Volk sich voller Erwartungen ihm zuwendet. Bald werden sie zusammen überlegen, wie man das beenden kann. Man arbeitet mit dem Hohen Rat zusammen – und natürlich mit den Römern.
Wahrnehmen
Die Jünger verstehen – wieder einmal – nicht, was da vor ihren Augen geschieht. Vielleicht ist das typisch für uns Jesusnachfolger. Wir stehen erst einmal auf der Leitung und bekommen zu spät unsere Deutung.
Auf einem Esel reitet Jesu, also eher bescheiden und friedlich. Diesen Auftritt hat er gewählt! Denn Jesus inszeniert das, was die Propheten verkündet haben ganz bewusst.
Der König auf dem Esel, dem Reittier der kleinen Leute. Vielleicht wäre es heute ein Fahrrad oder ein alter Golf, jedenfalls keine Regierungslimousine. So bescheiden, ja angreifbar zieht er ein.
Kein Wort hören wir von Jesus, wir sehen ihn auf dem Esel einreiten. Seine Gegner sehen ihre Felle davonschwimmen: Alle Welt läuft ihm nach!
Verstehen
Die Gegner verkünden hier das Evangelium: Alle Welt läuft Jesus nach! Aus ihrem Mund kommt das, was geschieht: Zeit und Raum finden eine neue Mitte: Alles läuft auf diese Mitte zu: Kreuz und Auferstehung lösen die alte Mitte, von der Schöpfung aus zu denken, ab. Die Zeitrechnung wird es zeigen wie die Karten: Jerusalem wird zur Mitte, zum Ausgangspunkt einer neuen Schöpfung und neuen Lebens.
Mit dem Einzug beginnt die Karwoche, die Wochen von Anklagen, Leiden, Verurteilung, Kreuzigung und Grablegung Jesu. Karfreitag bildet den schrecklichen Höhepunkt jenes Geschehens.
Die Jünger haben sich zurückgezogen, irgendwo sitzen sie ratlos zusammen. Der Karsamstag muss ein furchtbarer Tag für sie gewesen sein. Es ist Sabbath, der Feiertag der jüdischen Gemeinde. Keine Arbeit lenkt einen ab. Traumatisiert sitzen sie zusammen: Jesus ist tot und begraben, sie sind jetzt ohne ihn. Ein Tag der Ratlosigkeit und des Wartens, ein Tag der Untätigkeit.
Und dann werden die Frauen am ersten Tag der Woche zum Grab gehen, um den Leichnam des Gekreuzigten zu salben. Und dann wird das Grab offen sein, der schwere Stein weggerollt, der Leichnam verschwunden. Und dann hören sie die Botschaft des Engels – und dann die Begegnung mit dem Auferstandenen, den sie erst gar nicht erkennen. Alles überschlägt sich, alles erscheint in einem neuen Licht. Jesus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!
Handeln
So können wir selbst in die Karwoche starten. Am Anfang können wir uns mit unseren Erwartungen auseinandersetzen. Wir haben eine friedliche Welt erwartet. Und nun herrscht Krieg in Europa! Wir hatten an die moderne Medizin geglaubt und wurden während Corona bitter enttäuscht.
Wurden wir auch von Gott enttäuscht? Die Jünger glaubten einst an einen anderen Ausgang der Jesusgeschichte, manche suchten sich schon die Ehrenplätze in Jesu Herrlichkeit aus. Und dann kam die Karwoche, in der alle Hoffnungen zerstoben – hat sich Nachfolge gelohnt? War es das wert? Gehörten sie nun zu einem Verlierer – hatten nicht alle anderen Recht? Waren unsere Erwartungen mit Gottes Geschichte abgestimmt?
Jesus ist nicht Mensch geworden, um unseren Erwartungen zu entsprechen. Er ist gekommen, um uns zu erlösen. Das Vater unser erinnert uns daran: „Dein Wille geschehe!“
Wie oft gleichen wir Kindern, die zum Geburtstag nicht das bekommen, was sie sich so wünschen. Gott kam nicht wegen unserer Erwartungen an ihn, er ist keine Erwartungs-Wunsch-Maschine. Gott ist Gott. Vielleicht müssen wir uns eingestehen, welche Erwartungen sich nicht erfüllt haben, persönliche, politische, gemeindliche.Als Jesus in Jerusalem einzieht, inszeniert er sich bewusst nach der Verkündigung der Propheten: Er kommt als König, aber ein König nach Gottes Sinn: demütig kommt er auf einem Esel. Kein machtstrotzender Herrscher, sondern ein König nach dem Herzen Gottes. Das ist Gottes Knecht. Den sollen wir hören, dem sollen wir folgen.