Irland liegt am Rande der antiken Welt. Das römische Imperium endet in Britannien, Irland und Schottland bleiben unberührt. In Irland leben Kelten, die meisten Menschen finden wir auf dem Land, sie organisieren sich in etwa 150 Clans von ein paar Dutzend Familien, über die ein „Kleinkönig“ herrscht. Weil die Ernten karg sind, herrscht oft Hunger und die Iren unternehmen Raubzüge bis nach Britannien. Sie plündern und rauben, was sie benötigen, Menschen werden versklavt oder Göttern geopfert. Kriege miteinander gehören zur Tagesordnung. 

Die Welt der Kelten ist geprägt von grausamen Göttern und einem drakonischen Strafsystem. Die Götter flößen Angst ein. Immer wieder wechseln sie die Gestalt. Nichts in der Realität scheint verlässlich, ja alles erscheint fließend und gefährlich. Überall können Fallen sein, überall Betrug, überall wirkt Magie. Geistliche Führer sind Druiden, eine dunkle Welt kommt uns entgegen.

Plötzlich werden die Iren Christen. Einige der versklavten Menschen werden zu Missionaren.  Patrick von Irland tritt den Druiden mutig entgegen. Sünde verstehen die Iren als Krankheit, die Therapie dagegen besteht in strenger Buße, mit Strafen gegen Disziplinlosigkeiten aller Art.

Eine Bußleistung ist die Peregrinatio – die asketische Heimatlosigkeit. Sie geht wohl auf die Strafverfahren zurück: Ein Verbrecher wird als potentieller Unruhestifter aus der Gemeinschaft entfernt und verjagt. Er soll Land und Leuten nicht mehr gefährlich werden, vielleicht sogar andere „anstecken“. Heimatlosigkeit gilt als strenge Strafe. In ihrem asketischen Eifer nehmen Mönche die Heimatlosigkeit freiwillig auf sich. Sie berufen sich auf das Vorbild Abrahams, der seine Heimat auf Gottes Ruf hin verlassen hat. Wohin sie kommen, werden sie zu Verkündern des Evangeliums.

Zunächst ziehen sie in die Einsamkeit der Wälder und Berge, leben als Eremiten von anderen getrennt. Dabei fordern sie sich körperlich heraus: Stundenlang stehen sie in eiskaltem Wasser, oder fasten, um Gott näher zu kommen. In der Einsamkeit bauen sie sich eine Hütte, manchmal kommen weitere Eremiten dazu, die sich in der Nähe auch eine Hütte bauen. Ein Mönch wird zum Abt. Eine Kirche wird errichtet. Dann sammeln sich immer mehr Mönche in solchen Klostersiedlungen. (Cahill 167) 

Bald gibt es eine Bibliothek und eine Schreibstube. Bei schönem Wetter sitzen die Schreiber draußen, auf einem Knie die Vorlage, auf dem anderen die neuen Seiten. Iren lieben offenbar die Natur. Einer berichtet am Rande eines Textes, wie er im Wald sitzt und ein Buch abschreibt und dabei dem Kuckuck lauschen kann.

Alle Bücher, die den Iren in die Hände kommen, werden kopiert. Nicht nur die Bibel und die Schriften der Kirchenväter überleben so, auch philosophische und unterhaltende Schriften überdauern das Chaos des frühen Mittelalters. Und sie schreiben ihre eigene Literatur auf, die bis dahin mündlich weitergegeben wird. Manchmal findet man auch am Rande eines eher komplizierten lateinischen Textes ein paar Verse eines irischen Gedichtes.

Manchmal kritisiert ein Schreiber auch seinen Kollegen: „Es ist einfach, hierin G.s Arbeit zu erkennen.“ Diese Randnotiz ist in wunderschöner Schrift geschrieben auf einem Blatt, dessen Seite eher unleserlich erscheint. Diese Klöster entwickeln sich zu kirchlichen und sozialen Zentren. Oft wird ein Gästehaus erbaut, denn nun strömen Besucher herbei. 

Immer mehr Klöster werden gegründet. Die meisten sind an Clans angebunden, die Klöster sind die geistlichen Zentren der Clans. Die Iren bilden so eine ganz andere Kirchenorganisation aus. Die irische Kirche wird so eine Konföderation von Mönchsgemeinschaften. Sie werden religiöse wie politische Zentren auf der Insel.

Diese Buchproduktion ist eine kostspielige Angelegenheit. Für ein Buch werden Häute einer Herde von 150 Tieren benötigt. Dazu kommen Kosten für Farben, die teilweise aus dem Mittelmeerraum oder Afghanistan importiert werden. Die Mönche schreiben nicht nur die Texte sorgfältig ab. Sie schaffen vielmehr wunderschön illustrierte Bücher wie das “Book of Kells”, eine Evangelienhandschrift aus dem 8. Jh. I

Zwischen 500 und 800 verlassen die irischen Mönche die Insel und ziehen nach Schottland und auf das Festland. Dort leben sie um Christi willen als Fremde. Sie missionieren und gründen Klöster. Berühmt wird das Kloster Iona auf einer Insel vor Schottland, das durch Columban den Älteren (520-597) gegründet wird. Von Iona aus missioniert er in Schottland. Von hier aus bringen Mönche das Evangelium auch auf den Kontinent. Gallien, Germanien und Oberitalien verdanken den Irischen Mönchen also das Evangelium. 

Irische Mönche sind es, die die Kunst des Lesens und Schreibens nicht nur pflegen, sondern später auch neu nach Europa tragen. So werden die Iren zu den (weithin unbekannten) Rettern antiker Kultur – und der Bibel! Hervorheben müssen wir die sprachliche Qualität der Bücher. Während das Latein auf dem Kontinent verwahrlost und sich vom klassischen Latein weit entfernt, erlangt es in Irland zu neuer Blüte. Aus Irland kommen später die Lehrer, die den Mönchen auf dem Kontinent neu Latein beibringen. 

Literatur

Thomas Cahill 1998: Wie die Iren die Zivilisation rtetteten. München: btw
Peter Müller 2008: Columbans Revolution. Wie irische Mönche Mitteleuropa mit dem Evangelium erreichen – und was wir davon lernen können. Schwarzenfeld: Neufeld
Lutz von Padberg 2006: Christianisierung im Mittelalter. Darmstadt: WBG (17-27)
Lutz von Padberg 1998: Die Christianisierung Europas im Mittelalter. Stuttgart: Reclam (65-69)