Joh 20, 19-20(21-23)24-29 Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!
Jesus ist auferstanden und kommt am Oster-Abend zu seinen Jüngern, die werden froh. Thomas ist aber nicht dabei und kann den Bericht seiner Kollegen nicht glauben. Er äußert Zweifel. Ist das ein Zeichen von Unglauben? Darf man seine Zweifel haben, darf man sie äußern? Darum geht es beim Evangelium des 1. Sonntags nach Ostern!
Acht Tage später kommt Jesus noch einmal zu den Jüngern, als auch Thomas anwesend ist. Dieser bekennt: „Mein Herr und mein Gott!“ Jesus entgegnet: „Weil du mich gesehen hast, glaubst du? Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“
Wahrnehmen
Die Jünger sitzen hinter verschlossenen Türen zusammen. Sie haben von den Frauen gehört, dass sie Jesus begegnet sind. Haben sie ihnen geglaubt? Hatten sie Zweifel? Und dann kam der Auferstandene mit seinen Wundmalen und seinem Friedensgruß.
Und weil Thomas da nicht anwesend ist, bleibt er in seinem Zweifel gefangen. Macht er sich Sorgen, etwas verpasst zu haben? Welche Ängste treiben ihn um? Jesus ist gestorben und begraben. Das Grab war leer, aber sollte Jesus deshalb leben? Trennt ihn seine kurze Abwesenheit vom Jüngerkreis nun von der Jesusgeschichte?
Die Geschichte von Thomas zeigt uns einmal mehr die Barmherzigkeit Jesu. Scheinbar nur für ihn kommt Jesus noch einmal, um sich auch ihm zu zeigen. Dann kann auch er die Auferstehung bezeugen.
Jesus kommt aber nicht nur für Thomas, er kommt auch für alle, die ihre Zweifel haben und die sehen und begreifen wollen, um überzeugt zu sein.
Thomas steht für die, die nicht einfach mitglauben können. Er schließt sich nicht einfach den anderen an, sondern wägt ab und prüft.
Thomas hört den Bericht, aber er kann ihn nicht glauben. Er will sehen und begreifen. Er braucht etwas Sichtbares und Handfestes. Zu diesem Zweifler kommt der gekreuzigte und auferstandene Jesus. Er zeigt seine Wunden, die auch mit der Auferstehung nicht weg sind. Der Auferstandene bleibt der Gekreuzigte.
Es ist nicht einfach alles wieder gut, verschlossen und geheilt – das Leiden ist geschehen, der Tod hat seine Arbeit getan, aber Gott hatte sein letztes Wort noch nicht gesprochen! Dieser geschundene und gekreuzigte Jesus kommt und zeigt sich Thomas.
Thomas darf sein, wie er ist. Ihm zeigt er seine Wunden. Ihm zeigt er sich als Lebender. Nun wandelt sich der Zweifel in Glauben! „Mein Herr und mein Gott!“ Das wird das Bekenntnis der ersten Christen: Jesus ist Herr und Gott!
Verstehen
Heute scheint mir Thomas besonders nahe. An ihm ging die erste Begegnung mit dem auferstandenen Jesus vorüber – Er blieb in seinem Zweifel, seinen Sorgen, seinen Ängsten. Thomas erscheint mir hier sehr modern: Seit der Aufklärung fordern wir modernen Menschen Beweise. Wir wollen nur glauben, was wir sehen. Kommen auch in uns Zweifel auf, wo war Gott während Corona, wo ist er in der Ukraine? Warum heilt er nicht meine Enkeltochter Lilly?
Wir können eine Sehnsucht bei Thomas spüren. Und auch wir kennen solche Momente, in denen unsere Sehnsucht nach Gott neu aufbricht. Das haben viele vielleicht bei Corona gespürt, das spüren wir jetzt während des Krieges in der Ukraine. Wo ist Gott in alledem?
Und dass diese Geschichte ins Evangelium kommt, zeigt uns doch: Die Einstellung von Thomas ist nicht ungehörig oder falsch. Zweifel bewahrt uns vor Träumereien von einer heilen Welt.
Eine Woche nach Ostern sitzen sie damals zusammen, die einen angerührt von ihrem Erlebnis mit dem Auferstandenen, einer mit seinen Zweifeln. So sieht die Gemeinde der Heiligen bis heute aus. Glaube und Zweifel sitzen beieinander.
Kennen wir das auch? Alle Singen mit Hingabe die ergreifenden Lieder, aber du spürst deine Sehnsucht und den nagenden Zweifel. Wo war Gott in der Pandemie? Wo ist Gott jetzt in diesem Krieg in der Ukraine? Ein christlicher Leiter erzählte mir neulich, er bete dafür, dass Putin stirbt. Aber Putin lebt und macht seine markigen Sprüche.
In der Gemeinde sitzen beide nebeneinander. Die Glaubenden und die Zweifelnden. So war es damals, eine Woche nach Ostern. So wird es heute auch sein.
Da kommt plötzlich Jesus zu ihnen. Obwohl die Türen verschlossen sind, tritt er mitten unter sie und wendet sich Thomas zu. Jesus ist im Raum, bietet Thomas seine Wunden dar. Jesus macht sich nahbar und berührbar. Jesus bietet an, was Thomas eine Woche zuvor gefordert hat. Woher weiß Jesus das? War er die ganze Zeit dabei? Ist Jesus da, auch wenn er nicht gesehen und begriffen wird?
Nach acht Tagen kommt Jesus damals noch einmal. Acht Tage können eine lange Zeit sein! Manchmal kommen uns 8 Minuten schon wie eine Ewigkeit vor. Wie lange wartest du schon? Vielleicht musst du 8 Stunden warten, 8 Tage oder 8 Wochen.
Wie kommt Jesus zu Dir, wenn du deinen Zweifel spürst, wenn er an dir nagt und du deinen Glauben nicht mehr wahrnimmst? Vielleicht kommt Jesus nicht so wie damals zu Thomas. Vielleicht spricht er ganz leise in dein Herz. Vielleicht spricht er durch ein Bibelwort oder durch eine Predigt? Vielleicht rührt er dich durch eine Geschichte an. Vielleicht redet er durch ein Lied zu dir?
Vielleicht musst du lernen, neu wahrzunehmen. Vielleicht musst du den Lärm verlassen, auf Fernsehen und Mobiltelefon verzichten.
Handeln
Von Thomas können wir lernen. Er macht sich seine Sehnsucht bewusst: Ich will selber sehen und selber begreifen. Thomas macht nicht einfach mit, er bleibt ehrlich!
Thomas hätte die Gemeinschaft verlassen können: „Ihr seid total übergeschnappt!“ Da mache ich nicht mit und gehe. Er bleibt bei den anderen, er bleibt dran. Denn wo zwei oder drei versammelt ist, da ist er dabei!
Thomas sagt, was ihn überzeugen kann – und Jesus lässt sich darauf ein. Aber Jesus tadelt ihn dann auch: Selig ist, wer nicht sieht und doch glaubt! Können wir glauben ohne zu sehen? Fordert Jesus blindes Vertrauen? Unser Zeitalter will sehen und begreifen, wir können nicht anders. Können wir in Beziehung zu Jesus treten, wenn wir ihn nicht sehen und begreifen?
Im 19.Jh wollte man die Wahrheit biblischer Geschichten beweisen, das Gegenteil kam heraus. Fundamentalisten forderten die Irrtumslosigkeit der Bibel anzuerkennen. Schafft das Zweifel aus der Welt? Sören Kierkegaard ging einen anderen Weg.
Niemand kann, niemand braucht biblische Geschichten „beweisen“. Wir müssen einen Sprung über den Graben der Geschichte wagen, einen Schritt auf Gott zugehen und schauen, ob da jemand ist und antwortet. Glaube beginnt mit Vertrauen.
Gott hat viele Wege zu deinem Herzen. Mach einen Schritt auf Gott zu. Gott ist nur ein Gebet weit von dir entfernt. Wenn du diese Sehnsucht hast, deinen Zweifel zu überwinden, dann bin ich überzeugt, dass der Ursprung dieser Frage nach Gott von ihm angestoßen ist. Lies die Evangelien mit der Frage: Wer ist dieser Jesus? Und bitte ihn, dass er dir deinen Zweifel nimmt.