Einleitung

Der russische Präsident Putin hat den Angriff des russischen Militärs auf die Ukraine befohlen. Russische Separatisten in der Ostukraine hätten ihn um Hilfe ersucht. Daher habe er zum Schutz der russischen Bevölkerung seine Truppen in Marsch gesetzt. Nun erleben wir den Vormarsch russischen Militärs in die Ukraine, sehen täglich Bilder von Bomben- oder Raketenangriffen auf Wohngebiete, hören von fürchterlichen Luftangriffen auch im Osten der Ukraine, wo mehrheitlich russisch sprechende Menschen wohnen. Und diese Menschen begrüßen das russische Militär nicht als Befreier. Da kennen wir andere Bilder. Russisches Militär trifft auf den Widerstand von Ukrainisch und Russisch sprechenden Menschen. Dort findet kein Krieg zwischen Völkern statt!

Schon nach einer Woche scheinen die von Putin genannten Gründe für den Angriff durch die Bilder und Nachrichten vom Kriegsschauplatz sich als vorgeschoben zu erweisen. In Deutschland sprach der Bundeskanzler von einer Zeitenwende, nun werden doch Waffen aus Deutschland in Kriegsgebiete geliefert, nun werden immer härtere Sanktionen gegen Russland verhängt. Die NATO verstärkt ihre Kontingente in ihren Mitgliedstaaten in Osteuropa. Putin droht im Falle einer Einmischung mit dem Einsatz von Atomwaffen. Eine Spirale der Gewalt dreht sich höher und höher. Man traut seinen Ohren kaum.

Manche Menschen fragen sich schon, wie kann die internationale Staatengemeinschaft dabei zusehen?

Europäische Kriege in den letzten 30 Jahren

Kriege schienen in Europa der Vergangenheit anzugehören. Allerdings gab es nach dem 2. Weltkrieg Bürgerkriege in Europa (auf die Schnelle fallen mir ein: der Volksaufstand in der DDR 1953, der Volksaufstand in Ungarn 1956, der Bürgerkrieg im Baskenland Ende der 1960er Jahre, der Bürgerkrieg in Nordirland, der Zypernkonflikt Mitte der 1970er und vor allem die Jugoslawienkriege in den 1990ern). Aber einen Angriffskrieg erlebten wir in Europa seit 1939 nicht mehr. 

Allerdings griff 1999 die NATO (einschließlich Deutschlands) in den Kosovokrieg ein, um einen Völkermord wie in Bosnien zu verhindern. Dieser Einsatz war in Deutschland sehr umstritten, weil deutsche Soldaten im 2. Weltkrieg auf dem Balkan den Krieg Hitlers führten.

Andererseits gab es öfter internationale Konflikte, in denen europäische Staaten verwickelt waren. Blenden wir die Kolonialkriege in Afrika und Ostasien aus, so kämpften etwa Frankreich und Großbritannien beim 1. Golfkrieg 1990 auf Seiten einer UN-Koalition gegen den Irak, der das kleine Kuweit besetzt hatte. 2001-2021 kämpfte die NATO in Afghanistan gegen das Terror-Netzwerk, das für die Anschläge vom 11. September verantwortlich gemacht wurde. Das war der erste Verteidigungsfall, den die NATO ausgerufen hatte und bei der auch die Bundeswehr mitwirkte. 

Nun sehen wir täglich fürchterliche Bilder der Gewalt und fragen uns – muss man da nichts tun. Kann man nichts tun?

Frieden

Nicht nur wir Christen haben uns seit Jahrzehnten für den Frieden eingesetzt. Gerade in Deutschland war die Friedensbewegung meistens sehr stark. Krieg sollte kein Mittel der Politik sein. Durch Resolutionen und Verträge sollte der Krieg geächtet werden: Keine Einmischung in innere Angelegenheiten von Staaten, Anerkennung der Grenzen in Europa, friedliche Koexistenz. Das sind die wesentlichen Stichpunkte der Diskussionen und der Realpolitik seit den 1970er Jahren.

Dazu gesellten sich Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit, Freizügigkeit, Teilhabe an Gesundheit und Rohstoffen, nach Völkerverständigung durch Begegnung, nach dem Recht auf Selbstbestimmung und Freiheit …

Während des sogenannten Kalten Krieges setzten die Staaten auf Abschreckung und Verhandlungen. Jeder Staat sollte ein angemessen großes militärisches Potential haben, um sein Territorium und seine Rechte zu sichern. Wie die Polizei im Inneren für die Durchsetzung des Rechts sorgt, soll Militär das Recht des Staates und seiner Bürger nach außen sichern. 

Nun hat ein großer Staat einen kleineren angegriffen und das Völkerrecht gebrochen. Irritiert und erschrocken beobachten wir, wie eine verlogene Propaganda die Tatsachen verdreht. 

Zugleich fühlen wir uns hilflos, weil wir uns über Jahrzehnte einer Illusion des Friedens hingegeben haben. Wir haben selbst zu wenig für unser Militär getan und sind nun überrascht, dass es ernst wird. Seit Jahren konnte jeder wissen, wie es um die Einsatzfähigkeit unserer Armee stand. Alle Warnungen aus dem Ausland schlugen wir in den Wind. Nun sind wir nur bedingt verteidigungsbereit.

Noch schlimmer trifft es uns mental: Wir sind auch mit unseren Gedanken gar nicht auf einen Krieg vorbereitet. Ein Krieg in Europa schien außer unserer Vorstellungswelt. Wie gehen wir damit um? Was sagen wir unseren Kindern und Enkeln? Wie finden junge Erwachsene ihre Position? Wie begegnen wir Älteren, die sich an die Bilder aus ihrer Kindheit erinnern?

Aber wie geht es nun weiter? Wie begegnen wir künftig der russischen Regierung? Wie begegnen wir den Menschen in Russland? Und da müssen wir sicher differenzieren. Nicht alle Russen werden vom Krieg begeistert sein. Da wird es Putins Unterstützer geben, aber auch Gegner seiner Politik. Und wie gehen wir mit Menschen aus Russland in unserer Nachbarschaft um? Immerhin können wir mit ihnen in Freiheit reden, zuhören und mitreden. Hüten wir uns pauschalen Urteilen, aber setzen wir uns für Frieden ein.

Thorsten Dietz hat in der Pro vom 2. März (https://www.pro-medienmagazin.de/ukraine-krieg-selig-sind-die-frieden-stiften/) nach der Phantasie für den Frieden gefragt. Das halte ich für eine gute Frage! Seiner Überzeugung nach braucht es nun Brückenbauer zu den russischen Menschen – im Sport, in der Kultur und natürlich auch in der Politik. Deshalb erinnert er an die Bergpredigt: „Selig sind die Friedensstifter!“ (Mt 5,9) Diesem Gedanken schließe ich mich ausdrücklich an. Christus ist unser Friede, Friedensstiftung bleibt unser Auftrag. Auch und gerade an Tagen wie diesen.

Und was wir tun können, können von Steffen Kern in seinen „Kern-Sätzen“ hören! Für Frieden beten und dafür eintreten!