Freiheit ist unser zentraler Wert, der auch für die Kitas und Schulen gelten soll. Aber das Ideal entspricht vermutlich kaum der Wirklichkeit in Institutionen. Für unsere Gesellschaft scheint pädagogische Autorität unverzichtbar, denn an die Kinder soll die Tradition weitergegeben werden: Sprache, Gewohnheiten und Gepflogenheiten unserer Kultur. Auch wenn am Anfang alles spielerisch läuft, steigen mit dem Alter die Anforderungen und die Erwartungen. Bestimmtes muss man gelernt haben, will man einigermaßen selbstbestimmt durchs Leben kommen. Eltern, Erzieherinnen, Lehrerinnen genießen daher gesellschaftliche Anerkennung und üben Autorität aus.

Nach den Erfahrungen mit den Diktaturen im 20. Jh. stellte Kurt Lewin dem demokratischen den autoritären Erziehungsstil gegenüber. Annemarie und Reinhard Tausch sprechen dann von sozial-integrativ und autokratisch. Dabei stellt sich aber auch heraus, dass diese Gegensätze nicht einfach zu bewerten sind: Starke Lenkung steht nicht immer für Geringschätzung der Kinder, geringe Lenkung deutet nicht in jedem Fall auf Wertschätzung hin.

Später hat dann Hurrelmann eine Typologie vorgeschlagen, die Dimensionen einerseits nach der Autorität (hoch-niedrig) und der Berücksichtigung kindlicher Bedürfnisse (hoch-niedrig) beschreibt und zu den vier Stilen autoritär, permissiv (wenig lenkend), überbehütet und vernachlässigend kommt. Es zeigt sich, dass ein autoritativ- partizipativer Stil am besten geeignet erscheint.

Eine andere Aufteilung stellt die Dimensionen Anforderung und Reaktivität gegenüber: Zur Anforderung gehört die Bereitschaft der Lehrenden, bewusst Sozialisationsfunktionen zu übernehmen. Bei der Reaktivität geht es um die Rücksicht auf die Besonderheiten des Kindes: während die Eltern auf ihr Kind einwirken, lassen sie sich in ihrem Verhalten auch von den Kindern beeinflussen. Günstig scheinen danach solche Eltern zu sein, die angemessene Anforderungen an Kinder stellen und zugleich auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen. 

Autorität von Lehrenden scheint nach einer Reihe von Untersuchungen ein wesentliches Merkmal pädagogischer Arbeit. In der Schule spielen Sachautorität wie Leitungsautorität eine bedeutende Rolle (Belege bei Reichenbach 2012: 136ff.). Lehrerverhalten und Schülerverhalten stehen in engstem Zusammenhang. Die Unterrichtsgestaltung (Interessante Inhalte, Strukturierung, Bedeutsamkeit) bestimmt das Verhalten der Lernenden. Auch die Förderung der Beziehungen in der Gruppe durch die Authentizität des Lehrenden und sein wertschätzender Umgang mit den Lernenden ist schließlich ebenso von Bedeutung wie die Maßnahmen zur Verhaltenskontrolle durch Verhaltenserwartungen, Aufmerksamkeit für die Interaktionen in der Gruppe (Reichenbach 2012: 138).

Eine ganz andere Sicht stellt das Verhältnis von Meister und Lehrling dar. Beide leben und wirken in der Hausgemeinschaft, Beruf und Familie werden bis ins 19. Jh. nicht getrennt. Neben der sachlichen Beziehung von Meister und Lehrling steht die persönliche Beziehung dieses Verhältnisses, das mehr als eine Berufs-Ausbildung ist. Der Lehrling lernt alles, was zum Handwerk und zum Familienalltag hinzugehört, bis er zum Geselle wird und er wird „freigesprochen“.

Der klassische Ausbildungsprozess ist abgeschlossen, früher setzen die Lehr- und Wanderjahre ein, um andere Traditionen und Techniken kennenzulernen. Schließlich konnte ein Geselle anstreben, selbst Meister zu werden, indem er nun eigenständige Perspektiven und Techniken entwickelt. Am Ende hat er sich zur eigenen Autorität entwickelt und gibt sein Wissen und seine Fähigkeiten an andere weiter.

Autorität zielt seinem Ursprung nach auf Wachsen lassen und vermehren. Aus der Erziehungsstilforschung wissen wir, Autorität und Wertschätzung sind keinesfalls Gegensätze, eine Laissez-faire-Haltung fördert gerade nicht das Leben, sondern hemmt dessen künftige Entwicklung.

Für die Pädagogik bedeutet das, dass sie Kinder und Jugendliche auf ihre Freiheit und Verantwortung vorbereiten muss: Menschen müssen die legitimen Formen von Herrschaft kennen und jede Form von Tyrannei durchschauen, hinterfragen und verändern. Deshalb müssen Menschen auch lernen, sich von Herrschaft zu befreien. Dazu gehören auch demokratisch angemessene Vermittlungsformen von Unterricht, die auf Beziehung angelegt sind (Intersubjektivität, Relationalität). Dazu zählt aber auch die Vermittlung von tragfähigen Werten (Humanität, Solidarität, Verantwortung vor Gott).

In gesunden pädagogischen Beziehungen zwischen Kindern und Lehrenden (Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Meister und Trainer) wird die Einzelpersönlichkeit beachtet, werden Anlagen gefördert und der Umgang mit Defiziten vermittelt.