Wir müssen unsere Identität selber erfinden. Die Traditionen verschwinden, Individualisierung und Pluralisierung sind angesagt.  Unsere Gesellschaft fordert Beweglichkeit und lehnt Anpassung geradezu ab. Die biografischen Schnittmuster verschwinden. Wir dürfen und müssen die Drehbücher unseres Lebens selber schreiben: entwerfen, inszenieren, realisieren (H. Keupp).

Viele fordern heute Charakterbildung. Der modern Begriff Charakter (grch. charaktär – Prägestempel) wird von Aristoteles bestimmt, der Tugenden als Voraussetzung für ein glückliches Leben sah. 

Die klassischen Tugenden der Antike sind Klugheit, Tapferkeit, Mäßigkeit und Gerechtigkeit. Im Christentum standen dann Glaube, Liebe und Hoffnung obenan. Im Mittelalter stellte man Tugenden und Untugenden gegenüber: Demut und Hochmut, Mildtätigkeit und Habgier, Keuschheit und Wollust, Geduld und Zorn, Mäßigung und Völlerei, Wohlwollen und Neid, Fleiß und Faulheit.

Die Tugenden werden durch Belehrung, Übung und Gewohnheit herausgebildet. Wir müssen also wissen, was zu tun ist. Dazu brauchen wir Orientierungspunkte, also Wissen über unsere Berufung (Vision oder Leitbild vom Leben insgesamt) und über die für uns wichtigen Werte. Dem Wissen nahe steht das Können: Wir haben eine Begabung und üben sie ein. Ähnlich ist es mit unseren guten Gewohnheiten, die wir eingeübt haben. Wir üben auch ein, uns nach unserer Berufung oder unseren Werten zu richten. Dabei braucht es zum Können auch eine Begabung. Und wir müssen dies natürlich auch wollen!