Dem Rad in die Speichen fallen! Kirche ist dem Opfer jeder Gesellschaftsordnung verpflichtet!
„Wir sind stumme Zeugen böser Taten gewesen, wir sind mit allen Wassern gewaschen, wir haben die Künste der Verstellung und der mehrdeutigen Rede gelernt, wir sind durch Erfahrung misstrauisch gegen die Menschen geworden und mussten ihnen die Wahrheit und das freie Wort oft schuldig bleiben., wir sind durch unerträgliche Konflikte mürbe oder vielleicht sogar zynisch geworden – sind wir noch bauchbar?“ (WE 25)
Historischer Hintergrund
Mit dem Ende des 1. Weltkriegs zwingen die Militärs den Kaiser zur Abdankung und machen das Kaiserreich zur Republik. Nicht die oberste Heeresleitung und der Kaiser bitten um Waffenstillstand und handeln den Friedensvertrag aus, sondern die Vertreter der plötzlich an die Macht gekommenen demokratischen Regierung der Weimarer Koalition (aus SPD und Zentrum). Infolge der enormen finanziellen Entschädigungsforderungen der Kriegsgegner sowie der unvorstellbaren Staatschulden für die Finanzierung des Krieges kommt es zu Inflation und Wirtschaftskrise, zu Massenarbeitslosigkeit und Resignation der Menschen.
Die Abdankung des Kaisers (und anderer regierender Fürsten) führt einen einschneidenden Wandel auch in den Landeskirchen herbei: Mit der Abdankung des Kaisers verlieren die Landeskirchen ihre traditionellen Kirchenoberhäupter: Wie soll es weitergehen? Wer wird nun Verantwortung übernehmen, wie bringt man die Finanzen auf. Noch lange trauern die Landeskirchen um das altes System, sie erscheinen wie Brückenköpfe der Monarchie. Eine Demokratisierung können sich nur wenige vorstellen, dem neuen Staat steht man kritisch gegenüber.
Bereits 1932 ist eine „Glaubensbewegung Deutsche Christen“ entstanden, die in den Landeskirchen für die Sache der Nationalsozialisten werben: Sonntags gehen SA-Formationen in Gottesdienste und nehmen an den Kirchenwahlen teil. So man inszeniert sich erfolgreich für die evangelische kirchliche Wählerschaft: In den Regionen mit mehrheitlich evangelischer Bevölkerung erringen die Nationalsozialisten deutlich mehr Stimmen als in katholischen Gebieten.
Am Ende der Weimarer Republik bestimmen politisch extremer Parteien das öffentliche Leben, neben der Kommunistischen Partei nimmt der Einfluss des Nationalsozialismus immer mehr zu. Am 30. Januar 1933 wird Hitler vom Reichspräsidenten zum Reichskanzler einer Minderheitsregierung ernannt, bei den folgenden Wahlen im März gewinnt die NSDAP mit der DNVP die Mehrheit im Reichstag. Intensiv wettert Hitler im Wahlkampf gegen Kommunisten und Juden, wirbt scheinbar für kirchliche Werte. Seine Regierungsübernahme wird von Landeskirchen, Freikirchen, großen Teilen der Brüderbewegung und Gemeinschaftskreisen überwiegend positiv aufgenommen. Hitlers Vertrauensfeldzug gegenüber den Kirchen hat funktioniert. Bei Kirchenwahlen im Juli 1933 ruft Hitler zur Wahl der „Deutschen Christen“ auf, nur in Bayern, Hannover und Württemberg bleiben traditionelle Kirchenleitungen im Amt.
Eine politische Revolution nimmt ihren Lauf, die mit den Stichworten Gleichschaltung und Diktatur beschrieben worden ist. Durch das Ermächtigungsgesetz kann die Reichsregierung selber Gesetze erlassen, bald werden andere Parteien verboten und aufgelöst. Nach der politischen Machtübernahme erweisen sich wirtschaftspolitische Maßnahmen als erfolgreich: staatliche Investitionen führen zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zu bescheidenem Wohlstand breiterer Schichten. Außenpolitische „Erfolge“ führen zu enormer Akzeptanz in der Bevölkerung. Politische Maßnahmen gegen Sozialdemokraten und Kommunisten werden in weiten Kreisen hingenommen. Auch der Antisemitismus führt kaum zu Protesten. Namentlich die Stellung des „Führers“ erscheint als Garant des Aufschwungs und eines Neuanfangs, bei seiner Verehrung schwingt bei vielen etwas Religiöses mit („Heil Hitler“).
Im Zentrum der NS-Weltanschauung steht mit dem Antisemitismus ein extremer Rassismus, der die „arische Rasse“ fördern und „Semiten“ und „Slawen“ bekämpfen und unterdrücken will. Namentlich für das deutsche Volk soll ein ausreichend großer „Lebensraum“ erobert werden, dazu wird Deutschland aufgerüstet und kriegsbereit gemacht. Humanistische und christliche Werte werden bekämpft.
Erst im Laufe des Jahres 1933 mehren sich auch kritische Stimmen gegen die Nationalsozialisten, mit einem „Führerprinzip“ in der Kirche können sich nicht alle anfreunden, der Arierparagraph stößt auf Widerstand: Wie im Staatsdienst „jüdische Beamte“ sollen Juden aus den Gemeindeämtern gedrängt werden. Zum Pfarrernotbund ruft Pfarrer Martin Niemöller auf und die Bekennende Kirche entwickelt unter Federführung von Hans Asmussen und Karl Barth die „Barmer theologische Erklärung“ im Mai 1934. Schon im Dezember 1933 distanziert sich die Gnadauer Gemeinschaftsbewegung von den Nationalsozialisten. Von den 38 Gnadauer Landes- und Provinzialverbänden scheiden vier aus: Waldeck, Pommern, Thüringen und der DGD. Pfarrer Theophil Krawielitzki geht es um Rettung von Seelen, dabei sei der kirchenpolitische Kampf störend. Ja man sieht eine innere Nähe will die eigenen Glieder „im Geist des Nationalsozialismus erziehen“ und an der „Aufrichtung des Dritten Reiches mitarbeiten“.
Herkunft und Biografie
Bonhoeffer wächst als sechstes von acht Kindern vor und im 1. Weltkrieg auf, sein Elternhaus ist nicht kirchlich geprägt, der Vater ein bekannter Psychiater in Breslau, ab 1912 zieht die Familie nach Berlin, wo Vater Bonhoeffer die Charité leitet. Die Familie wohnt im Professorenviertel unter Bildungsbürgern, klare Argumentation und Leistung sind wesentliche Werte. Während des 1. Weltkrieges setzt sich Bonhoeffer mit Fragen nach Tod und Ewigkeit auseinander, als sein Bruder Walther im Weltkrieg fällt. Nach dem Abitur (1923) studiert er Theologie in Tübingen, Rom und Berlin. 1927 promoviert er (mit 21) in Berlin über „Gemeinschaft der Heiligen“.1928 legt er sein 1. Examen ab, dann folgt ein Auslandsvikariat in Barcelona/Spanien, 1929 Universität Berlin, Habilitation in systematischer Theologie („Akt und Sein“) mit 24 Jahren, 1930 dann das 2. Theologisches Examen. Weil er noch nicht 25 ist, kann er noch nicht als Pfarrer arbeiten und geht für ein Jahr nach New York (Auslandsstudium), wo er die Weltwirtschaftskrise hautnah miterlebt, die Theologie vom „Social Gospel“ beeinflusst ihn.
Ab 1931 arbeitet er als Privatdozent an der Universität in Berlin, zugleich leitet er die neue Evangelische Studentengemeinde der Technischen Hochschule, die jedoch schon 1933 aufgelöst wird. Im November 1931 zum Pfarrer an der Matthäuskirche (Berlin-Tiergarten) ordiniert. Er kommt in Kontakt zu Karl Barth in Bonn. Schließlich wird er Jugendsekretär des ökumenischen Weltbunds für die Freundschaftsarbeit der Kirchen (WFK), wodurch er internationale Kontakte erhält.
Ab 1933 übt er öffentliche Kritik am Nationalsozialismus. Auslöser sind das NS-Führertum und die Judendiskriminierung. Eine Radioansprache Bonhoeffers, in der er sich kritisch über das Führerprinzip äußert, wird abgebrochen. Gleich zu Beginn der Herrschaft hat er sich positioniert. Von Mitte 1933 bis April 1935 arbeitet er als Pfarrer in London in einer deutschen Auslandsgemeinde, wo er seine ökumenischen Kontakte ausbaut und etwa Bischof Bell kennenlernt.
Ab 1935 leitet er das Predigerseminar der Bekennen Kirche in Finkenwalde (bei Stettin), das (illegal) bis 1940 besteht. 1936 verliert er seine Lehrerlaubnis, 1938 wird er aus Berlin verbannt, 1940 erhält er Redeverbot, 1941 Schreibverbot.
Im Jahr der „Reichsprogromnacht“ 1938 finden wir ihn im Widerstandskreis um Admiral Canaris, er reist in die Schweiz (Feb/Mrz 1941; Mai 1942), Norwegen (Apr 1942) und nach Schweden (Jun 1942), um die Westmächte über Pläne und Möglichkeiten des Widerstands zu informieren, indem er seine auf früheren Auslandsaufenthalten Kontakte nutzt (Zimmerling 96ff.). Diese werden einen deutschen Widerstand nicht unterstützen.
Am 5. April 1943 wird Bonhoeffer verhaftet und im Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis in Berlin-Tegel inhaftiert: Die Anklage (21.9.1943) lautet: Wehrentziehung und Beihilfe zur Flucht von Juden. Lange ahnt man bei der Gestapo nicht, was Bonhoeffer wirklich getan hat, erst nach dem 20. Juli 1944 werden Aufzeichnungen entdeckt, in denen Bonhoeffers Name fällt.
Briefe und Aufzeichnungen in der Haft werden nach dem Krieg von seinem Wegbegleiter Eberhard Bethke unter dem Titel „Widerstand und Ergebung“ veröffentlicht. Zwei Jahre später wird er auf ausdrücklichen Befehl Hitlers aus dem umkämpften Berlin in Flossenbürg mit anderen Widerstandleuten (Canaris, Canaris) hingerichtet.
Anlass und Vision
Bonhoeffer liest die Bibel als Wort des lebendigen Gottes, hier hört er Seine Stimme, nimmt sie als volles Evangelium ernst und ringt um eine klare Position gegen das Führertum, die Rassendiskriminierung und den Frieden. Er erkennt: Hitlers Judnepolitik entspricht nicht dem Willen Gottes.
Gegen den Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 protestiert er, schreibt einen Aufsatz „Die Kirche vor der Judenfrage“. Darin gesteht er einerseits dem Staat zu, Gesetze über die jüdischen Bürger zu machen. Aber die Kirche könne so etwas nicht als staatliches Handeln hinnehmen. Er schlägt der Kirche drei Handlungsoptionen vor, wenn der Staat seine eigenen Pflichten nicht wahrnimmt: 1. Öffentlich gegen staatliches Handeln Stellung beziehen. 2. Unterstützen der Opfer. 3. Weitere Notlagen verhindern – „dem Rad in die Speichen fallen“. Damit stellt er die klassische Zwei-Regimenter-Lehre evangelischer Staatssicht in Frage. Die Kirche darf sich nicht in einen eigenen gottesdienstlichen Raum zurückziehen. „Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen“ (Gremmels 1996:17).
Handlungsmuster
Bonhoeffer handelt als Pfarrer und theologischer Lehrer. Er wirkt durch seine Bücher und Vorträge, seit 1931 durch seine Vorlesungen und seit 1935 als Leiter des Predigerseminars der Bekennenden Kirche. Aber auch seine ökumenischen Kontakte machen Teil seiner Wirkung aus.
„Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist.“ Dazu muss sie ihr Eigentum an die Notleidenden verschenken, die Pfarrer sollen von freiwilligen Gaben leben. Als im April 1933 die Maßnahmen gegen die Juden öffentlich werden, protestiert Bonhoeffer mit seinem Aufsatz „Die Kirche vor der Judenfrage“ (15. April 1933). Darin schreibt er über den „Dienst an den Opfern des Staatshandelns. Die Kirche ist den Opfern jeder Gesellschaftsordnung in unbedingter Weise verpflichtet, auch wenn sie nicht der christlichen Gemeinde zugehören. […] Die dritte Möglichkeit besteht darin, nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen. Solches Handeln wäre unmittelbar politisches Handeln der Kirche.“
Gegen den Arierparagrafen nimmt er in einem Flugblatt Stellung. „Darum ist der Arierparagraph eine Irrlehre von der Kirche und zerstört ihre Substanz. Darum gibt es einer Kirche gegenüber, die den Arierparagraphen […] durchführt, nur noch einen Dienst der Wahrheit, nämlich den Austritt.“
Illegales Predigerseminar. Ab 1935 leitet Bonhoeffer das Predigerseminar der Bekennenden Kirche. Ganz neu entdeckt und lebt er mit seinen Vikaren „Gemeinsames Leben“. Im gleichnamigen Buch meditiert er „Gemeinschaft“, „der Gemeinsame Tag“, „der einsame Tag“, „Der Dienst“ sowie „Beichte und Abendmahl“. Sie leben in Besitzlosigkeit und Gütergemeinschaft, verpflichten sich der Sache Christi. Er sammelt die künftigen Pfarrer in einer Form von Bruderschaft, in der sie reifen und die ihnen Heimat schenkt. Nicht klösterlicher Rückzug aus der Welt, sondern „höchste Konzentration für den Dienst nach außen“ wird angestrebt. Hier studieren sie die Bibel, wollen Gott und einander begegnen.
Es gibt doch nun einmal Dinge, für die es sich lohnt, kompromisslos einzutreten. Und mir scheint, der Friede und die soziale Gerechtigkeit, oder eigentlich Christus, sei so etwas. Gremmels 1996:34
Hier entsteht 1937 auch sein Buch „Nachfolge“, in dem er sich mit der „billigen Gnade ohne Nachfolge, Gnade ohne Kreuz“ auseinandersetzt, die die Gnade für sich reklamiert, ohne dass dies Folgen für das Leben hat. Denn für Bonhoeffer gehören Rechtfertigung, Nachfolge, Glaube und Tun zusammen. Es gehört zu den traurigen Folgen des Krieges, das fast die Hälfte der Brüder gefallen sind.
Aktiver Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Während sich der Pfarrernotbund nur für die „jüdischen Gemeindeglieder“ einsetzen, in der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 die Juden nicht erwähnt werden, der Hannoversche Landesbischof Marahrens einige Zeit nach der „Reichsprogromnacht“ von „Reinerhaltung des Volkstums“ spricht und sich von der „jüdischen Religion der Gesetzlichkeit“ abgrenzt (Gremmels 1996:18), evangelische Landeskirchen Ende 1941 Kirchenmitglieder jüdischer Herkunft ausschließen, beteiligt sich Bonhoeffer an „Unternehmen 7“, in dem erst 7, dann 14 Menschen jüdischer Herkunft in die Schweiz verbracht werden.
Von seinem Schwager Hans von Dohnanyi (Abwehr im OKW) lässt sich Bonhoeffer für Auslandsreisen als „V-Mann“ anwerben, um offiziell seine Auslandsverbindungen für das Reich zu nutzen. Freilich ist das Tarnung – er soll den deutschen Widerstand mit den Westalliierten in Verbindung bringen. Auf diese Weise bleibt er vor Einberufung zum Wehrdienst geschützt. Was er konkret getan hat, ist heute schwer zu ermitteln, denn die überlieferten Dokumente müssen interpretiert werden, sie sind im Modus der Tarnung und Konspiration geschrieben. Seine ökumenische Gesinnung lässt ihn wie seine internationalen Gesprächspartner für den Frieden zwischen den Völkern und für brüderliche Beziehungen der Kirchen arbeiten.
In der Haft schreibt er später:
Wir sind nicht Christus, aber wenn wir Christen sein wollen, so bedeutet das, dass wir an der Weite des Herzens Christi teilbekommen sollen in verantwortlicher Tat, die in Freiheit die Stunde ergreift und sich der Gefahr stellt, und in echtem Mitleiden, das nicht aus der Angst, sondern aus der befreienden und erlösenden Liebe Christi zu allen Leidenden quillt. Tatenloses Abwarten und stumpfes Zuschauen sind keine christlichen Haltungen. Den Christen rufen nicht erst die Erfahrungen am eigenen Leibe, sondern die Erfahrungen am Leibe der Brüder, um derentwillen Christus gelitten hat, zur Tat und zum Mitleiden. Bonhoeffer: nach zehn Jahren. WE 22
Religionslos an Gott glauben. Während der Haft ringt er mit der Frage, „was das Christentum oder auch wer Christus heute für uns eigentlich ist“ (WE, 178), er möchte das Christentum in einer „nicht-religiösen Interpretation“ verkündigen. Seiner Ansicht nach bewegt sich die Geschichte auf eine religionslose Zeit zu. „Wie kann Christus der Herr auch der Religionslosen werden?“ (WE 179). „Wie sprechen wir weltlich von Gott?“ Durch die Fleischwerdung Christi habe sich Gott mit der Welt verbunden.
Ich denke augenblicklich darüber nach, wie die Begriffe Buße, Glaube, Rechtfertigung, Wiedergeburt, Heiligung ‚weltlich‘ – im alttestamentlichen Sinne und im Sinne von Joh. 1,14[1] – umzuinterpretieren sind (WE185).
Die nicht-religiöse Interpretation erkennt ein Sprachproblem, das alte Begriffe neu denken und sagen muss. Die Worte der Kirche sind kraftlos geworden und müssen verstummen:
„unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen. Alles Denken, Reden und Organisieren in den Dingen des Christentums muss neu geboren werden aus diesem Beten und aus diesem Tun […] der Tag wird kommen -, an dem wieder Menschen berufen werden, das Wort Gottes so auszusprechen, dass sich die Welt darunter verändert und erneuert. Es wird eine neue Sprache sein, vielleicht ganz unreligiös, aber befreiend und erlösend, wie die Sprache Jesu, dass sich die Menschen über sie entsetzen und doch von ihrer Gewalt überwunden werden, die Sprache einer neuen Gerechtigkeit und Wahrheit, die Sprache, die den Frieden Gottes mit den Menschen und das Nahen seines Reiches verkündigt. (Taufansprache Mai 1944 WE)
Aber diese nicht-religiöse Interpretation trägt auch der Tatsache Rechnung, dass die Menschen nicht mehr religiös sind, die Zeiten haben sich geändert. Die Welt ist mündig geworden, sie benötigt keinen Gott als Lückenbüßer mehr, der immer dann zum Zuge kommt, wenn man nicht weiter weiß und sich etwas nicht erklären kann.
Civilcourage
Wir Deutschen haben in einer langen Geschichte die Notwendigkeit und die Kraft des Gehorsams lernen müssen. In der Unterordnung aller persönlichen Wünsche und Gedanken unter den uns gegebenen Auftrag sahen wir Sinn und Größe unseres Lebens. Unsere Blicke waren nach oben gerichtet[…] im freien Vertrauen, das im Auftrag einen Beruf und im Beruf einen Auftrag sah. […] Es musste sich herausstellen, dass eine entscheidende Grunderkenntnis dem Deutschen noch fehlte: die von der Notwendigkeit der freien, verantwortlichen Tat auch gegen Beruf und Auftrag. […] Civilcourage aber kann nur aus der freien Verantwortlichkeit des freien Mannes erwachsen. […] Sie beruht auf einem Gott, der das freie Glaubenswagnis verantwortlicher Tat fordert und der dem, der darüber zum Sünder wird, Vergebung und Trost zuspricht. (WE 12-13)
Literatur
Dietrich Bonhoeffer 2002: Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft. Hrsg. v. Eberhard Bethge. 17. Aufl. Gütersloh: Gütersloher Verlagsaus.- Gremmels, Grosse 1996: Dietrich Bonhoeffer. Der Weg in den Widerstand. Gütersloh: Christian Kaiser.- Mayer, Zimmerling 1997: Dietrich Bonhoeffer: Beten und Tun des Gerechten. Glaube und Verantwortung im Widerstand. Gießen: Brunnen.- Meiß 2011: Kirchengeschichte zwischen Moderne und Postmoderne. Marburg: Francke (116ff., 190ff.; 311ff., 509ff.). Nürnberger 2015: Widerstand im Dritten Reich. Stuttgart: Gabriel
[1] Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit,