Verunsicherung

Wir stehen wie gelähmt vor schweren Erkrankungen. Uns machen Nachrichten über Gewalt sprachlos. Die Pandemie wütet noch immer. Hochwasser nimmt Menschen alles. In welcher Welt leben wir denn gerade? Für die einen spielt die Natur verrückt, entfesselt ihre Kräfte, deren wir gerade nicht Herr werden.

Für die anderen gehört die Natur zur gefallenen Schöpfung. Wir erkennen, wie wenig wir diese Welt beherrschen und im Griff haben! Leben wir mitten in einem Gericht Gottes?

Gegen solche Erfahrungen und Gedanken entwirft der Prophet Jesaja ein Hoffnungsbild:

Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. 

Jesaja 42,3

Geknicktes Schilfrohr und glimmender Docht

Denke ich über dieses Bild nach, dann denke ich an das Ufer der langsam fließenden Werra, zu dem wir als Kinder radelten und dem fließenden Wasser zusahen. Das Schilf steht am Ufer und versperrt den Weg ins Wasser. Darüber scheint die Sonne, ein paar weiße Wolken stehen am Himmel.  Diese Erinnerung weckt Gefühle von Freiheit und Unbekümmertheit. Das sind für mich glückliche Erinnerungen.

Aber ich denke auch an den Gestank der Werra damals, der Fluss ist übersättigt mit Kali, eine dunkle stinkende Brühe. Es ist keine heile Welt. Und in diese Welt gehört auch ein gebrochenes Schilfrohr, das nicht mehr emporwächst, das ins Wasser gedrückt wird und verfault. Das ist der Lauf der Welt.

Beim zweiten Bild denke ich an mein Zimmer, das durch eine Kerze hell erleuchtet wird. Ich habe die Kerze für meine Stille Zeit entzündet, will zur Ruhe kommen und mich sammeln. Sie zeigt mir Gottes Gegenwart an, der mich begleitet.

Aber eine Kerze hat nur eine bestimmte Brenndauer. Irgendwann ist das Wachs geschmolzen, der Docht aufgezehrt. Außerdem kann jeder Luftzug das Licht verlöschen lassen. Dann verlischt die Wärme und das Licht. Das ist der Lauf der Welt: Entzünde ich eine Kerze, so weiß ich schon, dass sie ihr Licht einmal aushauchen wird. Und mit dem Kerzenlicht ist immer auch eine Gefahr verbunden – eine Gardine in der Nähe kann sich bei einem Windhauch schnell entzünden. 

Ein Schilfrohr zerbricht, der Docht einer Kerze verlischt: Das ist der Lauf der Welt! Das macht den Alltag aus, schon immer. Aber Gott durchbricht diesen Lauf der Welt! Er zerbricht nicht das Schilfrohr und löscht die Kerze nicht aus! Gott will diese gefallene Schöpfung mit ihren Unzulänglichkeiten erneuern und verwandeln.

Heimgesucht?

Wir alle haben solche Erfahrungen: Freude erlebt, aber auch Verluste erlitten. Unsere Arbeitskraft hat Werte geschaffen, aber unsere Kraft nimmt ab. Das ist der Lauf der Welt!

Die furchtbare Pandemie hat uns hart getroffen, das selbstverständliche im Umgang mit anderen zum Risiko gemacht. Erst die Möglichkeit zur Impfung schaffte den sprichwörtlichen Lichtblick. 

Dann kamen die Überschwemmungen in manchen Regionen unseres Landes, die Warnungen kamen bei den Menschen nicht an, sie wurden nicht verstanden. Viele Menschen starben, Unzähligen fanden sich auf der Straße wieder.  Die Zerstörung war furchtbar. Noch immer ist das der Lauf der Welt.

Wir schaffen das Paradies auf Erden nicht! Unsere Bemühungen bringen vieles zustande, aber diese Welt bleibt gebrochen und gefährlich. Oft genug bewirkt unsere Technik selbst Schrecken und Gefahren. Das bleibt vorerst der Lauf der Welt.

Daher wird dieses Wort uns zum Trostwort: Unsere Gebrochenheit und Dunkelheit wird von Gott verwandelt. Er bringt uns heraus in seine neue Welt, in der er uns neu entzündet und unsere Gebrochenheit heilt. Gott erneuert seine Schöpfung und will sie verwandeln. Wir bleiben auf unseren Schöpfer und Erlöser angewiesen.

Wochenaufgabe

Nimm Dir Zeit für solche Fragen: Welche Gebrochenheit gibt es in Deinem Leben? Was muss heil werden? Was verlischt in Deinem Leben? Was muss neu entfacht werden? Wo habe ich die Endlichkeit dieser Welt verdrängt?

Klage Gott Deine Not. Sprich mit ihm über Deine Abgründe und Zweifel. Lies einen Klagepsalm. Sing ein entsprechendes Lied. Gibt Gott Dir Halt und Hoffnung?

„Nun lob, mein Seel, den Herren, was in mir ist, den Namen sein. Sein Wohltat tut er mehren, vergiss es nicht, o Herze mein. Hat dir dein Sünd vergeben und heilt dein Schwachheit groß, errett‘ dein armes Leben, nimmt dich in seinen Schoß, mit reichem Trost beschüttet, verjüngt, dem Adler gleich; der Herr schafft Recht, behütet, die leidn in seinem Reich.“ (EG 289,1)

Wer muss von uns aus seiner Erstarrung herausgeholt werden? Wenn müssen wir vor Jesus bringen, damit er sie berühren kann? Das mag durch ein Gebet geschehen. Das mag aber auch durch einen Besuch und ein Gespräch geschehen. Auch dazu kann ein Kirchenlied helfen…