Was bestimmt uns wirklich? Auf was kommt es uns wirklich an? Diese Fragen stellt Stephen Covey in seinem 1. Weg der Effektivität.

Wir Menschen sind in der Lage, uns selbst wahrzunehmen und über unsere Gedanken zu reflektieren. Außerdem können wir wahrnehmen, was andere über uns denken und was sie zu uns sagen. 

Was wir sind, sind wir zum einen durch unsere DNS (Vererbung): Unsere Familie hat uns etwas mit auf den Weg gegeben, das sind unsere Anlagen. Daneben sind wir sozialisiert, unsere Erziehung, unsere Erfahrungen mit anderen prägen uns. Früher schien der Mensch das Produkt seiner Gene, dann setzte man vor allem auf die Sozialisation. Heute sehen wir uns als ein Produkt von beidem. 

Aber weder unsere Erbanlagen noch unsere Umwelt haben das letzte Wort. Vielmehr gestalten wir aktiv mit. Covey belegt das mit den Erkenntnissen von Viktor Frankl, der im Konzentrationslager eine „letzte Freiheit des Menschen“ entdeckt hat (2004: 82), das nannte er Pro-Aktivität. 

Während manche Menschen auf die Reize ihrer Umwelt nur reagieren, vermögen andere pro-aktiv zu handeln. Covey führt das darauf zurück, dass sie von Werten und Prinzipien geleitet werden. Frankl sah drei zentrale Werte: 1. die Erfahrung, was uns geschieht. 2. Die Kreativität, was wir ins Leben rufen. 3. Die Einstellung, wie wir auf die Umstände reagieren.

Deshalb sei es von größter Bedeutung, nicht nur die Lage zu analysieren und die Zukunft vorauszusehen, sondern vor allem die eigene Reaktion zu planen. Dabei komme es schon auf die Sprache an. Reaktive Sprache stellt nur Zustände fest („Es gibt nichts, was ich ändern könnte!“), pro-aktive Sprache sieht Chancen („Lasst uns nach Alternativen schauen.“).

Covey unterscheidet dazu (2004: 94 ff.) Interessen- und Einflussbereich. Unsere Interessen dienen etwa unserer Gesundheit, unseren Kindern, unserer Arbeit, der Angst vor der Klimakatastrophe. Unser Einflussbereich ist dabei tatsächlich gering: Wir haben teilweise Einfluss auf unsere Gesundheit, einen größeren auf unsere Kinder. Für das Klima können wir nur einen kleinen Betrag beisteuern. Während reaktive Menschen sich auf den Interessenbereich fokussieren, richten pro-aktive Menschen ihre Aufmerksamkeit auf den Einflussbereich.

Direkte Kontrolle haben wir über solche Probleme, die mit unserem Verhalten zu tun haben: unsere Ernährung, unser Kaufverhalten. Hier lösen wir die Probleme, indem wir unsere Gewohnheiten verändern: gesündere und regelmäßige Ernährung, Zähneputzen, Bewegung. 

Indirekte Kontrolle haben wir über die Probleme, die mit dem Verhalten anderer Menschen zu tun haben: unserer Partnerin, unseren Kindern, unserem Chef. Hier lösen wir die Probleme, indem wir an unseren Methoden arbeiten: Wir zeigen anderen Mitgefühl oder nutzen eine Konfrontation, wir agieren als Vorbild oder versuchen zu überzeugen. Wir dienen dem Gegenüber und gewinnen so ihre Gunst.

Keine Kontrolle haben wir über Probleme, an denen wir selbst wenig ändern können: unsere Vergangenheit, die Regierung in Nachbarländern. Hier müssen wir uns mit den Tatsachen abfinden und dürfen nicht zulassen, dass diese Probleme Einfluss auf uns gewinnen.

„Gott geben mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden“ (Covey 2004: 98).

Dabei kann man auch zwischen „Haben“ und „Sein“ unterscheiden. Der Interessenbereich ist voll mit „haben“: „Wenn ich mein Haus bezahlt habe, werde ich glücklich sein!“ „Wenn ich eine Frau hätte, die geduldiger wäre…“. Der persönliche Einflussbereich ist dagegen voll von „sein“: Ich kann geduldig sein, weise sein…

Zum Einüben der pro-aktiven Sichtweisen rät Covey, Verpflichtungen einzugehen und einzuhalten. Konkret rät er, einen Tag lang auf die eigene Sprache und die der anderen zu achten. Wie oft hören wir reaktive Wendungen wie „ich kann nicht“, „wenn nur“.

Suche dir eine Situation, die demnächst auf dich zukommt und in der du normalerweise reaktiv reagierst. Überlege dir einmal, wie eine pro-aktive Reaktion aussehen könnte. Wie bekommst du deine Freiheit zurück.

Stephen R. Covey 2004 (1989): Die 7 Wege der Effektivität. Prinzipien für persönlichen Erfolg. Erweiterte und überarb. Neuaufgabe. 15. Aufl. Offenbach: Gabal Verlag, S. 111ff.

Reflexion

Covers Überlegungen weisen in eine gute Richtung: Wir werden nicht nur von unseren Genen und unserer Sozialisation bestimmt, sondern wir wirken aktiv mit, was unsere Identität ausmacht. Der wichtige Aspekt der Entscheidungsfreiheit gilt allerdings nicht für alle Menschen. Manche sind aufgrund ihrer Verletzungen nicht dazu in der Lage, eine positive Vision zu entwickeln, scheinbar steht bei ihnen alles unter einer dunklen Wolke. Die Orientierung an guten Prinzipien sind schön und gut, aber manche bringen schlicht die innere Kraft zur Veränderung nicht auf.