Situation wahrnehmen: Worum geht es? 

Heute bleiben junge Erwachsene gerne zu Hause wohnen. Sie lassen sich Zeit mit Ausbildung und Beruf. Viele Familien können sich das leisten. Früher strebten junge Leute eher hinaus, suchten nach Freiheit und Unabhängigkeit. Davon erzählt die die Geschichte vom verlorenen Sohn. Ein Sohn will hinaus in die Welt, dafür fordert er sein Erbe. Er will die Welt sehen, sein eigenes Leben leben. Und sein Vater gibt ihm sein Erbe. Das kann man in Lk 15, 11-31 nachlesen.

Jesus pflegt mit allen Menschen Kontakt, mit frommen „Pharisäern“ und mit allen anderen. Die „Pharisäer“ kritisieren ihn für seinen Umgang mit „Leuten, die als Sünder galten“. Daher erzählt Jesus das Gleichnis von einem Sohn, der sein Erbe fordert. In traditionellen Kulturen erscheint diese Forderung unerhört wie die Antwort des Vaters und sein Verhalten. Er teilt dem jüngeren Sohn sein Erbe aus und lässt ihn ziehen.

Der Sohn zieht los, verprasst alles und leidet am Ende Hunger. Als er ganz unten ist, geht er in sich und beschließt umzukehren und seinen Vater um Vergebung zu bitten. Der Vater rennt ihm schon entgegen, als er ihn kommen sieht und begrüßt ihn mit offenen Armen, noch bevor er um Vergebung bittet. Der heimkehrende Sohn wird angenommen und aufgenommen. Die ganze Hausgemeinschaft feiert ein Freudenfest. Was für ein Vater? Keine Vorhaltungen, keine Strafpredigten.

Als der ältere Sohn von der Arbeit kommt, wird zu Hause bereits die Rückkehr des jüngeren Sohnes gefeiert. Der Ältere bleibt verärgert draußen, sein Vater geht zu ihm und muss sich allerlei Vorwürfe des Älteren anhören. Obwohl der Ältere zu Hause blieb, fleißig und pflichtgemäß arbeitete und sparsam lebte, erweist sich sein Verhältnis zum Vater als entfremdet. 

Welche Erkenntnisse gewinnen wir?

Gleichnisse haben eine Bild- und eine Sachhälfte. Der Vater steht für Gott, er lässt seinen Sohn los und rüstet ihn aus mit einem Erbe – Gaben und Fähigkeiten. Gott schenkt seinen Geschöpfen Freiräume und zwingt niemanden zu seinem Glück. Als der Sohn scheitert, erbarmt er sich über den heimkehrenden „Sünder“ und läuft ihm entgegen – noch bevor er um Vergebung bitten kann. Gott freut sich über die Menschen, die etwas von ihm wissen wollen und seine Nähe suchen.

Der jüngere Sohn steht für die Zolleinnehmer, die ihr Leben mitten in der Welt leben und offenbar keine intensive Beziehung zu Gott pflegen. Der Sohn fordert von seinem Vater seine Freiheit und Unabhängigkeit. In der Welt setzt er das Erbe nicht gewinnbringend ein, sondern verlebt es mit Feiern aller Art. So verliert er alles und findet sich ganz unten vor. Da besinnt er sich, gesteht sein Scheitern ein und kehrt um zu seinem Vater. 

Der ältere Sohn steht für die Frommen, er reagiert auf die Rückkehr mit Zorn und Vorwürfen, auch seinem Vater gegenüber. Er brach niemals aus, tat immer seine Pflicht, verzichtete auf Feste mit Freunden. Der Vater kommt auch ihm entgegen und wirbt um seine positive Einstellung zur Heimkehr seines Bruders und zum Mitfeiern. Ob der ältere Sohn sich besinnt, bleibt offen.

Planen & Handeln

Zunächst dürfen wir uns an unserem Vater im Himmel erfreuen, der so ganz anders ist als viele menschliche Väter. Er schenkt Freiheit und ertüchtigt zum Leben, er trägt nichts nach und steht immer zu uns. Dankbarkeit ist daher ein erstes Ziel aus dem Evangelium. 

Diese Dankbarkeit empfinden wohl die unter uns am stärksten, die sich im jüngeren Sohn wiederfinden können: große Pläne, Scheitern, Umkehr und Heimkehr waren ihre Stationen. Und am Ende stand das Eingeständnis: So geht es nicht weiter. 

Vielleicht identifizieren wir uns aber auch eher mit dem älteren Bruder, der niemals ausbrach, immer seine Pflicht tat und sich vom Vater zurückgesetzt fühlte. Ist das eine Sackgasse? Wollen wir da heraus? Oder sind wir ganz glücklich?