Antonius ist die erste historisch fassbare Gestalt der Wüstenväter[1]. Er lebt in Ägypten, der Kornkammer des Römischen Reiches. Damals liegen schwere Abgabenlasten auf den Grundbesitzern. Da mag es für den jungen Mann verlockend gewesen sein, alles loszuwerden und frei von allen staatlichen und gesellschaftlichen Lasten zu leben. Hören wir den Bericht des Athanasius:

„Nach dem Tode seiner Eltern blieb Antonius allein übrig mit seiner jungen Schwester. Er war damals 18 oder 20 Jahre alt und sorgte selbst für das Haus und die Schwester. Noch nicht waren sechs Monate seit dem Tode seiner Eltern vergangen, da ging er nach seiner Gewohnheit zur Kirche. Und er sammelte sich innerlich und überlegte unterwegs, wie die Apostel alles verlassen hätten und dem Heiland nachgefolgt seien, und was und wie Großes die wohl immer Himmel zu hoffen hätten, von denen in der Apostelgeschichte erzählt wird, dass sie ihre Habe verkauften […]. In solchen Gedanken versunken betrat er die Kirche. Da traf es sich, dass das Evangelium vorgelesen wurde und er hörte, wie der Herr zum Reichen Jüngling sagte: Willst du vollkommen sein, so gehe hin und verkaufe alles, was du hast und gib es den Armen; und dann komme und folge mir nach, so wirst du einen Schatz im Himmel haben. Und als ob um seinetwillen die Schrift vorgelesen worden wäre, ging Antonius sofort hinaus aus dem Gotteshaus; und alles, was er von seinen Vorfahren ererbt hatte, schenkte er seinen Dorfgenossen […].“ (Rinn/Jüngst 59)

Antonius gibt alles auf, einiges verkauft er und setzt es zum Unterhalt seiner Schwester ein. Er hat den Eindruck, dass ihn Jesus durch diese Geschichte direkt anspricht: Verkaufe was Du hast und gib es den Armen! So zieht er in die Einsamkeit: Zunächst hält er sich noch in der Nähe der Dörfer auf, dann verlässt er die Menschen und zieht in eine Grabhöhle. Als ihm auch dieser Ort zu nahe an den Menschen liegt, geht er in die Wüste und wohnt in einem verlassenen Kastell. Dort erlebt er schwere dämonische Anfechtungen, die er durch Gebet, Glaube und Arbeit überwindet.

Als der Heilige Vater Antonius einmal in verdrießlicher Stimmung und mit düsteren Gedanken in der Wüste saß, sprach er zu Gott: „Herr, ich will gerettet werden, aber meine Gedanken lassen es nicht zu. Was soll ich in dieser meiner Bedrängnis tun? Wie kann ich das Heil erlangen?“ Bald darauf erhob er sich, ging ins Freie und sah einen, der ihm glich. Der saß da und arbeitete, stand dann von der Arbeit auf und betete, setzte sich wieder und flocht an einem Seil, erhob sich dann abermals zum Beten; und siehe, es war ein Engel des Herrn, der gesandt war, Antonius Belehrung und Sicherheit zu geben. Und er hörte den Engel sprechen: „Mach es so und du wirst das Heil erlangen.“ Als er das hörte, wurde er von großer Freude und mit Mut erfüllt und durch solches Tun fand Rettung.“

(Weisung der Väter 1)

Antonius kann nicht lesen, aber er erlebt auch so Gottes Führung. Gebet und Arbeit werden der Lebensrhythmus, den er auch an jüngere Eremiten weitergibt.

Scharen von Menschen suchen ihn auf, um seinen Rat zu hören oder sich einfach von ihm segnen zu lassen. Später erlaubt er Schülern, in seiner Nähe zu wohnen. 

Da war einer, der in der Wüste nach wilden Tieren Jagd machte. Er sah, wie der Altvater Antonios mit den Brüdern Kurzweil trieb, und er nahm Ärgernis daran. Da nun der Altvater ihm klarmachen wollte, dass man sich zuweilen mit den Brüdern herablassen müsse, sprach er zu ihm: „Lege einen Pfeil auf den Bogen und spanne!“ Er machte es so. Da sagte er zu ihm: „Spanne noch mehr!“ und er spannte. Abermals forderte er ihn auf: Spanne!“ Da antwortete ihm der Jäger: „Wenn ich über das Maß spanne, dann bricht der Bogen.“ Da belehrte ihn Antonios: „So ist es auch mit dem Werk Gottes. Wenn wir die Brüder übers Maß anstrengen, versagen sie schnell. Man muss also den Brüdern ab und zu entgegenkommen.“

Weisung der Väter 13

Literatur:

  • Hans Conrad Zander 2001: Als die Religion noch nicht langweilig war. Die Geschichte der Wüstenväter. Köln;
  • Weisung der Väter 2005. Apophthegman Patrum, auch Gerontikon oder Alphabeticum genannt. Übersetzt von Bonifaz Miller. Trier: Paulinus


[1] Seit Mitte des 3. Jh. suchen Menschen die Einsamkeit der Wüste Ägyptens auf. Man nennt sie Einsiedler, Eremiten (von eremos – einsam), Mo.