Wir sind weder Produkt unserer Gene noch unserer Umwelt. Wir denken über uns nach, nehmen Informationen anderer über uns auf und reflektieren über beides. So entwickeln wir unser Selbstkonzept. Darunter versteht man die Annahmen über uns selbst!
Alles beginnt in unserer Kindheit, wenn wir erstmals Wissen über uns selbst aufnehmen: Wir können Stehen, Laufen, mit einem Löffel selbst essen usw. Unsere Misserfolge beeinflussen uns negativ: „Ich schaffe das sowieso nicht.“ Durch unsere Erfolge erhalten wir ein positives Selbstkonzept: „Ich bin musikalisch und kann gut mitsingen.“ Mit drei – vier Jahren beginnt unser biografisches Gedächtnis. Bald erlangen Kinder die Fähigkeit, die Perspektiven anderer zu übernehmen. Das kann das Selbstbewusstsein stärken: „Du lernst schnell Dinge!“. Das kann auch ein negatives Selbstkonzept begünstigen: „Du bist zu nichts zu gebrauchen. Du bist faul.“ Werden Kinder nicht gelobt, erfahren sie zu wenig Liebe und Unterstützung, kann es für diesen menschen schwer werden.
In der Jugendzeit und als junge Erwachsene nimmt unser Selbstkonzept immer mehr Gestalt an und bleibt über weite Phasen unseres Leben erhalten. So kennen wir uns, so erleben uns andere. Aber immer wieder können wir auch Korrekturen vornehmen und uns verändern.
Manche Übergänge unseres Lebens (Kindergarten, Schule, Partnerschaft, Berufseinstieg) fordern uns heraus und führen zu Änderungen bei uns und unserem Selbstkonzept. Umzüge bieten uns auch die Möglichkeit, einen Neuanfang zu wagen und uns von früheren Selbstkonzepten zu trennen. In der Jugendzeit wird unsere Identität das Thema unseres Lebens. Wir fühlen uns mit dem Übernommenes nicht mehr wohl, wir erleben uns diffus, wir stellen alles kritisch in Frage – bis wir ein Selbstkonzept haben, das uns passt…
Während manches über die Jahre gleich bleibt (Kreativität, Musikalität), kommt es immer wieder auch zu Veränderungen oder neuen Erfahrungen, die man als Transitionen (Übergänge) bezeichnet, dazu gehören der Eintritt in den Kindergarten oder die Schule, Freundschaft, Pubertät, Partnerschaft, Elternschaft, eigene Wohnung. Anlässlich dieser Transitionen fragen Menschen verstärkt nach neuen Informationen über sich selbst und die neue Herausforderung: Finde ich in der Kita Freunde? Komme ich in der Schule mit? Wie wirke ich auf andere? Wird diese Partnerschaft mich dauerhaft erfüllen? Was kommt mit der Geburt unseres Kindes auf mich zu?
Dabei lassen sich drei Phasen unterscheiden. Zunächst sucht man aktiv nach Informationen, um ein neues Selbstbild zu konstruieren. Zunächst nimmt man alle Informationen auf, die man kriegen kann. Wenn grundlegendes Wissen angeeignet worden ist, sucht man Schlussfolgerungen für sich selbst zu ziehen. Die Informationssuche geht weiter, ist aber nun konsolidiert und auf bestimmte Themen ausgerichtet („Welche weiteren Sprachen lerne ich auf diesem Gymnasium? Kann ich meine Musikalität dort einsetzen). Schließlich werden die neuen Informationen in das Wissen über sich selbst integriert. Man hat nun gleichsam Expertenstatus und kann anderen Unterstützung anbieten.
Hier setzen dann auch unsere Überlegungen zur Lebenskunst an, vielleicht besonders die Frage nach der eigenen Berufung.