Die Lebensgeschichte von Menschen interessiert mich generell, die Zeitumstände ihres Wirkens, ihre Vision vom Leben, ihre Leidenschaft und ihre Auseinandersetzungen. Oft genug gehören Niederlagen dazu, nicht alle verkraften sie. Manche schöpfen neue Kraft und stehen auf, sie haben Resilienzfaktoren entwickelt.

Im Nachlass meines Schwiegervaters fand ich das Buch von Wolf Schneider (* 1925), Korrespondent bei der Nachrichtenagentur Associates Press, dann Journalist bei der Süddeutschen Zeitung, bei der Welt, beim Stern und beim NDR. Schließlich leitete er die  Hamburger Journalistenschule. Eine interessante Zusammenstellung von -Wirkungsstätten, offenbar an der journalistischen Sache interessiert und nicht nur an politischer Ausrichtung. 

Bei Olympia interessieren nur die ersten drei, „The Winner Takes ist all“ – wirklich?

Der Inhalt

Schneider schreibt frisch und interessant, seine Zusammenstellung berührt: Er beginnt mit den kläglich Gescheiterten, dem großspurigen Goliath der Bibel und dem sich selbst überschätzenden Kapitän der Titanic sowie dem irritierendem Habsburger Maximilian von Mexiko.

Dann folgen die grandios Gescheiterten, Rommel („bewundert, bejubelt, in den Tod getrieben“), Ché Guevara („Der blutige Heiland der Regenwälder“ und Gorbatschow („Wie er Völker befreite und ein Imperium verlor“). Dann folgen die um den Sieg Betrogenen Rainer Barzel und Al Gore, die vom Thron Gestoßenen Maria Stuart, Ludwig XVI., Wilhelm II. („Kein anderer Verlierer fiel so weich“). Schließlich die an die Wand gedrückten – vom Sohn (Johann Strauß sen.), vom Bruder (Heinrich Mann), von Goethe (Lenz), von Marx (Lasalle) und von Stalin (Trotzki).

Die Abgestürzten (Oscar Wilde, Knut Hamsum) finden wir neben den um den Weltruhm Geprellten, wie Lise Meitner – erste Professorin in Preußen, die Otto Hahn die Kernspaltung erklärt, und Alan Turing, den Erbauer einer Maschine, die die Geheimcodes der deutschen Wehrmacht entschlüsselte. Schließlich folgt abschließend ein Blick auf die, die mehrfach als Verlierer vom Platz gingen, aber die zu Siegern wurden: Winston Churchill und Deng Xiaoping. 

Fazit

Schneiders Zusammenstellung ist spannend, seine Analysen bleiben nicht an der Oberfläche und verraten etwas über die Menschen, die miteinander ringen und einander zum Scheitern bringen. Schuld sind dabei nie nur die anderen, bei vielen wird auch ihr eigener Anteil am Scheitern deutlich (z. B. Maria Stuart, Lasalle, Wilhelm II.). Bei den Siegern der Geschichte tun sich menschliche Abgründe auf, wie bei Otto Hahn (er erwähnt die Bedeutung von Lise Meinter nicht einmal bei seiner Rede zum Nobelpreis) und Karl Marx (sein abgrundtiefer Hass mit übelstem Rassismus gegen Lasalle).

Es verwundert vielleicht, dass nur Maria Stuart und Lise Meitner als Frauen ausführlich betrachtet werden. Aber dieser Aufgabe mag sich eine andere widmen. Überraschend auch, dass Rommel und nicht Stauffenberg in die Sammlung aufgenommen ist.

Sieger werden oft gefeiert, über die Verlierer scheint die Geschichte hinwegzugehen. Aber Dichter haben nicht wenigen Verlierern ein Denkmal gesetzt, den gescheiterten Helden wie den Nibelungen, Maria Stuart oder den „Vom Winde verwehten“ Südstaaten. Gute Unterhaltung.